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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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außer dem Schaffellumhang nichts, was er hätte retten müssen. Er zog ihn mit einer Hand über den Kopf und zerrte den alten Mann vom Lager hoch.
    »Schnell ... du mußt die Stiefel anziehen!« Er schob sie Brannos über die Füße und hüllte die schmalen Schultern in die Schlafdecke. Der Barde erhob sich zitternd und schwankend, aber er blieb hartnäckig stehen und ließ sich von Gawen nicht zur Tür bringen.
    »Meine Harfe ... «
    Es dauerte eine Weile, bis Gawen verstand, was Brannos wollte. »Du kannst sie doch nicht mehr spielen.« Gawen mußte husten. Das Feuer hatte das Dach ihrer Hütte bereits in Brand gesetzt. Beißender Rauch drang ins Innere. »Geh!« stieß er mit erstickter Stimme hervor und schob den Alten zum Ausgang. »Ich bringe die Harfe in Sicherheit!«
    Ein Druide erschien in der offenen Tür, packte Brannos und zog ihn ins Freie. Gawen lief zur anderen Ecke der Hütte. Über ihm fing das Schilfgras an zu brennen. Die große Harfe stand unter Fellen vor der Wand. Als er danach greifen wollte, ging ein Funkenregen auf ihn nieder. Erschrocken machte er einen Satz rückwärts, duckte sich und schüttelte die Flammen wie lästige Fliegen von dem Umhang.
    Die Harfe war beinahe so groß wie er selbst und sehr schwer. Als er entschlossen erneut danach griff, entwickelte er plötzlich ungeahnte Kräfte. Er drückte das kostbare Instrument an sich und schleppte es durch Feuer und Rauch zur Tür.
    »Verrückter Junge!« schrie Eilned und zerrte ihn ins Freie. Ihr Gesicht war mit Asche verschmiert, und die langen Haare rochen verbrannt. »Wie hätte Caillean es überleben sollen, wenn du in den Flammen umgekommen wärst?«
    Gawens Beine gaben unter ihm nach. Die Erde war kalt, aber er spürte es nach der großen Hitze nicht. Er starrte Eilned sprachlos an, denn er verstand ihren Zorn nicht. Dann sah er das Entsetzen in ihren Augen und wußte, daß sie ihm nur Vorwürfe machte, um die eigene Angst zu verbergen.
    Er fragte sich, wie viele ihrer Angewohnheiten, über die er sich so oft ärgerte, nur eine Art Selbstschutz waren, etwa wie die aufgestellten Stacheln eines Igels, der sich in Gefahr glaubt.
    Ich werde sie mir in Zukunft als Igel vorstellen , dachte er. Wenn sie mich ärgert, werde ich mich daran erinnern, was für ein ängstliches Wesen sie in Wirklichkeit ist .
    Die Druiden versuchten, die noch nicht brennenden Dächer ihrer Hütten mit Wasser aus der heiligen Quelle zu schützen, aber sie hatten nicht genug Eimer. Der Kampf gegen das Feuer erwies sich als aussichtslos. Bald standen sie alle in sicherer Entfernung und beobachteten verzweifelt den Siegeszug der Flammen. Einige Frauen schluchzten, andere waren vor Entsetzen verstummt.
    »Wo sollen wir in Zukunft leben?« flüsterten die Priester und Priesterinnen. »Wohin sollen wir gehen?«
    Brannos saß auf der Erde und hielt die Harfe in den zitternden Armen. Tränen liefen ihm über die hageren Wangen.
    Gawen staunte im nachhinein über sich selbst. Warum hatte er das Instrument unter Einsatz seines Lebens gerettet? Vor allem aber, wie war es ihm gelungen?
    Gleichsam als Antwort auf seine Frage stellte sich eine neue Sicherheit ein, und er wußte plötzlich: Ich werde immer die Kraft zu allem haben, was ich tun muß ...
    Brannos sah ihn mit rotgeränderten Augen an. »Komm her!« rief er mit brüchiger Stimme. Ohne auf Eilned zu achten, stand Gawen auf und ging zu dem Alten.
    Brannos griff nach seiner Hand und legte sie auf die Harfe. »Sie gehört dir ... «, flüsterte er. »Du hast sie gerettet. Jetzt gehört die Harfe dir ... «
    Gawen mußte schlucken. Im roten Flammenschein schimmerten die Goldintarsien in ihrem glänzenden Holz. Die Bronzesaiten wirkten plötzlich sehr vertraut. Das Stimmengewirr und das Getöse des Feuers um ihn herum rückten in weite Ferne. Er dachte an die versunkene Welt seiner Träume und legte vorsichtig die Hand auf die Saiten. Ein zarter, überirdisch klingender Ton stieg in die Luft.
    Alle in seiner Nähe blickten verwundert auf ihn. Auch die anderen wurden aufmerksam und drehten die Köpfe in seine Richtung. Gawen sah sie alle, ohne aber jemanden wahrzunehmen. Der klingende Ton schien aus einer anderen Welt zu kommen, in der es keine Panik, keine Zerstörung und keine Katastrophen gab.
    Dann entdeckte er Caillean. Sie hatte sich in einen dunklen Umhang gehüllt, und ihr Gesicht war von Qual und Sorge gezeichnet. Sie wirkte alt im flackernden Schein des Feuers. Gawen wußte, daß sie den Scheiterhaufen vor

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