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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gemähten Korn konnte das Brot gebacken werden, von dem sich die Menschen ernährten.
    »Wenn es einen Sinn hat«, antwortete er nachdenklich, »dann werde ich sogar dem Tod dienen.«
    »Umarme mich«, sagte die Alte.
    Die hagere Gestalt, die ihre Arme öffnete, wirkte eher abschreckend. Doch er hatte geschworen, und so zwang er sich, die Umarmung zu ertragen. Der schwarze Schleier hüllte ihn in Dunkelheit, und ihre knochigen Arme schlossen sich um ihn.
    Dann fühlte er nichts mehr, sondern befand sich in einer allumfassenden Dunkelheit, in der er nach eine Weile Sterne sah. Er stand über einem Abgrund und sah die Frau mit dem wehenden Schleier. Ihre Augen waren von einer Schönheit, die jenseits aller Jugend schien. Es war Caillean, und es waren andere Frauen, denen er in vergangenen Zeiten gedient, die er geliebt hatte. Er verneigte sich tief.
    Er stand wieder allein inmitten der Steine der Kraft und blickte auf die drei Priesterinnen. Er prägte sich die drei Gestalten in Schwarz, in Rot und in Weiß tief in seine Seele ein.
    Im Osten färbte sich der Himmel im ersten Licht des frühen Morgens.
    »Du hast geschworen, und dein Eid ist angenommen.« Sie sprachen wieder zusammen. »Jetzt bleibt nur noch das Eine. Wir müssen den Merlin rufen, damit er dich zum Diener der Mysterien, zu seinem Priester und zum Druiden macht.«
    Gawen kniete mit gesenktem Kopf nieder, als sie den beschwörenden Gesang begannen, und wartete.
    Es war zuerst eine wortlose Melodie, Ton reihte sich an Ton, bis sein Körper von den Schwingungen der Musik mitgetragen wurde. Dann hörte er Worte, aber es waren die Worte einer Sprache, die er nicht kannte. Doch das Flehen war unverkennbar.
    Merlin, Wissender , bat er stumm, komm zu uns, sprich durch mich, denn wir hier auf Erden brauchen in dieser Zeit der Verwirrung die Wahrheit deiner Worte!
    Ein erstickter Laut, den jemand in dem Kreis hervorstieß, ließ ihn zusammenzucken. Er richtete sich auf und schloß überrascht vor dem blendenden Licht die Augen. Zuerst dachte er, die Sonne sei aufgegangen, aber das Licht kam nicht von der Sonne.
    In der Mitte des Kreises stand eine leuchtende Säule. Gawen schloß die Augen und rief sein eigenes inneres Licht, um sich zu schützen. Daraufhin veränderte sich sein Blick, und er sah den Geist, den sie gerufen hatten. Er war uralt und doch in der Fülle seiner Kraft. In der Hand hielt er den Stab seines Amtes. Der weiße Bart, sichtbares Zeichen seines Wissens, reichte bis über die Brust. Auf dem Kopf trug er einen goldenen Reif mit einem schimmernden Stein.
    »Herr, er hat geschworen!« rief Brannos. »Wirst du ihn als einen der unseren bestätigen?« Die Frage hallte durch die Nacht. Als der Merlin schwieg, fuhr Brannos fort. »Wann kommst du wieder zu uns, um uns aus der großen Not unserer Finsternis zu befreien?«
    Der Merlin blickte sich ernst im Kreis um. »Noch ist die Zeit für mich nicht gekommen, um unter euch zu weilen.« Dann richtete sich sein Blick auf Gawen, und er lächelte. »Du hast den Eid geschworen, und somit bist du zu einem Priester geworden, aber die Weisheit ist dir noch nicht gegeben.« Er lachte, und es klang wie ferner Donner. »In der Höhle aus Kristall hast du deinen Namen gefunden. Sprich ihn aus, mein Sohn. Sprich die Worte, die dich befreit haben!«
    Gawen sah ihn staunend an. Man hatte ihm gesagt, daß alles, was sich in solchen Augenblicken der Entrückung ereignete, auf ewig ein Geheimnis bleiben müsse. Gawen verstand jedoch, daß es diesmal nicht so sein konnte. Er mußte seinen wahren Namen offenbaren.
    »Ich bin der Pendragon«, flüsterte er. »Ich bin der Sohn der hundert Könige.«
    Staunendes Murmeln lief durch den Kreis. Es wurde heller. Im Osten färbten sich die Berge unter dem goldenen Banner der Sonne. Doch die Priester starrten wie gebannt auf etwas anderes. Gawen spürte auf seinem Kopf das Gewicht einer Krone. Ein königlicher Umhang, der mit Edelsteinen besetzt und kunstvoller bestickt war, als es eine menschliche Hand vermocht hätte, hüllte ihn ein.
    »Der Pendragon! Der Pendragon!« riefen die Druiden.
    Gawen hob die Arme und erwiderte den Gruß.
    In diesem Augenblick ging die Sonne auf, und ihre Strahlen schenkten der Welt aufs neue das Licht des Lebens.

7. Kapitel
    Die tätowierten Drachen auf Gawens Oberarmen juckten in der Wärme der Nachmittagssonne. Er betrachtete sie mit Staunen. Noch immer konnte er kaum glauben, was mit dem Erscheinen des Merlin unverrückbar in sein Bewußtsein

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