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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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von Sonnenlicht durchdrungen, das sich in den Eiskristallen eines Winterwalds in unzähligen Farben bricht. Die Kristalle schienen wie helle Trompeten zu tönen, wie das schimmernde Klingen der Saiten aller Harfen der Welt. Es war reine Glückseligkeit, vollkommene Schönheit und höchste Reinheit. Er schwebte im strahlenden Mittelpunkt der Welt, in der grenzenlosen Harmonie des Daseins, im vereinigten Klang aller Kräfte des Lebens.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, die außerhalb aller Zeit lag. Doch dann hörte er, wie jemand ihn rief.
    »Gawen ... !«
    Der Ruf kam aus weiter Ferne, und die Stimme gehörte einer Frau, die er hätte kennen müssen.
    »Gawen, Sohn der Eilan, kehre zu uns zurück! Verlasse die Kristallhöhle.«
    Warum soll ich diesem Ruf folgen , dachte er widerstrebend, ich bin am Ziel aller Wünsche angelangt ...
    Bin ich das wirklich , fragte er sich, eingehüllt in das Strahlen der Vollkommenheit, die weder Anfang noch Ende hatte.
    Aber die Stimme ließ ihn nicht ruhen. Sie klang drängender und fordernder. Manchmal waren es drei Stimmen, dann wieder nur der flehende Ruf einer einzigen Frau.
    Gawen konnte sie nicht einfach unbeachtet lassen. Bilder stiegen in ihm auf; Bilder von Dingen, deren Schönheit nicht so vollkommen, dafür aber irdischer war. Er erinnerte sich an den Geschmack eines Apfels, an das Spiel der Muskeln beim Laufen und an die Lippen eines Mädchens, die sich sanft auf seine Lippen drückten. Bei dieser Erinnerung stand ihm ihr Gesicht vor Augen.
    Sianna! Ich muß zu ihr ...
    Er verströmte sich in dem kristallenen Strahlen, fand jedoch keinen Weg, der ihn hätte hinausführen können.
    Das ist die Prüfung der Luft , hörte er die erklärenden Worte einer anderen Erinnerung. Du mußt das Wort der Macht aussprechen ...
    Aber niemand hatte ihm gesagt, was für ein Wort das sein mochte.
    Bruchstücke von Geschichten zogen durch sein Bewußtsein, die der alte Brannos ihm erzählt hatte, Teile des alten Wissens der Barden.
    Namen besitzen eine geheime Kraft , hörte er Brannos’ Stimme. Aber bevor du den Dingen einen Namen geben kannst, mußt du deinen eigenen Namen kennen .
    »Ich bin der Sohn von Eilan, der Tochter von Bendeigid ... «, flüsterte er und fügte zögernd hinzu: »Ich bin der Sohn von Gaius Macellius Severus.«
    In seiner Umgebung spürte er Wachsamkeit und Erwartung.
    Er sprach weiter. »Ich bin ein Barde und ein Krieger und ein Druide, der in dem alten Wissen ausgebildet wurde. Ich bin ein Kind der heiligen Insel.«
    Was sonst konnte er von sich sagen?
    »Ich bin Britone und ich bin Römer ... «
    Nach einer Weile des Lauschens stellte sich eine weitere Erinnerung ein.
    »Ich bin der Sohn der hundert Könige ... «
    Etwas schien sich plötzlich zu verändern, das strahlende Licht begann wie ein Blitz zu zucken, und einen kurzen Augenblick sah er den Weg. Aber er vermochte noch immer nicht, sich zu bewegen. Er stöhnte und suchte nach einem anderen Namen.
    Wer bin ich? Wer bin ich an diesem Ort?
    »Ich bin Gawen«, gab er sich selbst die Antwort, und dann erinnerte er sich an die Kraft, die ihn hierher gebracht hatte.
    »Ich bin der Pendragon ... «
    Kaum hatte er das Wort ausgesprochen, fühlte er sich durch einen Tunnel des Lichts nach oben getragen. Eine Kraft, die jede Vorstellung überstieg, hob ihn zum Gipfel des Tors. Nach Luft ringend landete er im feuchten Gras im Ring der Steine.
    Dort blieb Gawen eine Weile keuchend liegen. Ein Dröhnen erfüllte seine Ohren. Erst allmählich wurde ihm bewußt, daß irgendwo in der Ferne die Vögel zu singen anfingen, um den neuen Tag zu begrüßen. Er nahm die Nässe des Bodens wahr. Er spürte seine Finger ... er umfaßte die Grashalme und atmete den würzigen Duft der feuchten Erde ein. Dann stellte er plötzlich traurig fest, daß er wieder nur ein Mensch war.
    Er richtete sich auf, rieb sich die Augen und stellte fest, daß noch nicht alles wieder so wie früher war. Obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen war, umgab die Aura des goldenen Lichts alles, was er sah. Am hellsten jedoch strahlten drei Gestalten, die vor ihm standen - drei verschleierte Frauen mit den silbernen Zeichen der Göttin auf Stirn und Brust.
    »Gawen, Sohn der Eilan, ich habe dich in diesen heiligen Kreis gerufen«, sprachen sie wie mit einer Stimme. Er spürte, wie sich die Haare an seinen Armen und im Nacken aufrichteten. Es gelang ihm, sich zu erheben, und er stellte ohne jede Verlegenheit fest, daß er noch immer nackt war.
    Vor ihnen,

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