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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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unvorbereitet den Mysterien zu nähern. Deshalb bewahren wir sie im Verborgenen auf.«
    »Wo?« fragte Viviane und sah ihn mit großen Augen an.
    Woher hat sie diesen Mut? fragte sich ihre Mutter. Ist es Neugier, Verehrung oder das Verlangen nach Macht?
    »Auch das ist eines der Geheimnisse«, erwiderte Taliesin. »Das wissen nur die Eingeweihten, die berufen sind, ihre Hüter zu sein.«
    Viviane lehnte sich zurück und schloß die Augen, als er fortfuhr. »Für euch genügt es zu wissen, welches die Schätze sind und was sie bedeuten. Wir lernen, daß das Symbol nichts und die Wirklichkeit alles ist. Die Wirklichkeit, die diese Symbole verkörpern, umfaßt vier der Elemente, aus denen alles besteht: Erde und Wasser und Luft und Feuer.«
    »Aber hast du nicht selbst gesagt, daß Symbole wichtig sind?« fragte Viviane. »Wir sprechen über die Elemente, aber wir verstehen sie nicht wirklich. Unser Bewußtsein bedient sich der Symbole, um ... «
    Taliesin sah das Mädchen mit einem liebenswürdigen Lächeln an, und Ana versetzte es einen Stich.
    Sie ist zu eifrig , sagte sie sich. Sie muß Disziplin lernen, ihr Mut muß auf die Probe gestellt werden!
    Ana sah, wie Viviane ein Schauer überlief. Das Mädchen drehte sich um und entdeckte ihre Mutter trotz des Zaubers. Anas Züge wurden regungslos wie die einer Maske, und Viviane wandte errötend den Blick ab.
    Die Herrin drehte sich ebenfalls um und ging schnell zwischen den Bäumen davon.
    Ich bin fünfunddreißig Jahre alt , dachte sie, und immer noch fruchtbar. Ich kann noch mehr Töchter bekommen. Doch im Augenblick ist das Mädchen mein einziges Kind und die Hoffnung von Avalon .

    Viviane hockte auf den Fersen und rieb sich den Rücken. Die geschrubbten Steine des Wegs hinter ihr glänzten; vor ihr warteten die trockenen Steine. Auch Vivianes Knie schmerzten, und ihre Hände waren rot und aufgesprungen vom vielen Wasser. Wenn die Steine trockneten, sahen sie genauso aus wie die Steine vor ihr. Das war nicht überraschend, denn Viviane hatte sie zum dritten Mal geputzt. Das erste Mal konnte sie einsehen, denn die Kühe waren von der Weide gekommen und hatten den Weg beschmutzt. Viviane fand es gerecht, daß sie mit dem Saubermachen beauftragt wurde, denn sie hatte die Kühe zu dieser Zeit gehütet.
    Doch das zweite und dritte Putzen war unnötig. Viviane fürchtete sich nicht vor schwerer Arbeit; sie hatte auch auf dem Hof ihres Ziehvaters gearbeitet. Aber welcher Sinn lag darin, eine Arbeit zu wiederholen, die sie sorgfältig und gut erledigt hatte? Oder im Hüten von Kühen? Das hätte sie auch zu Hause tun können.
    Man wollte ihr einreden, Avalon sei nun ihr Zuhause, dachte sie mißmutig, als sie die Bürste in den Eimer tauchte und damit lustlos den nächsten Stein schrubbte. Aber zu Hause war man dort, wo man geliebt wurde und willkommen war. Die Herrin hatte unmißverständlich klargemacht, daß sie ihre Tochter nicht aus Liebe nach Avalon geholt hatte, sondern weil es notwendig war. Viviane reagierte darauf entsprechend, indem sie alles, was man von ihr verlangte, mißmutig und ohne Freude tat.
    Vielleicht wäre es anders , dachte sie, wenn ich das geheime Wissen lernen würde .
    Doch das war etwas für die Älteren. Die Novizinnen bekamen nur Kindergeschichten zu hören und durften für die ganze Gemeinschaft die niederen Arbeiten erledigen. Viviane konnte nicht einmal davonlaufen. Hin und wieder begleitete eine der älteren Jungfrauen die Herrin auf Reisen, um sie zu bedienen; die jüngeren Mädchen verließen Avalon nie. Falls Viviane versuchen wollte auszureißen, würde sie sich nur in den Nebeln verlieren und zwischen den Welten herumirren, bis sie in den Sümpfen wie ihre Schwester ertrank.
    Vielleicht würde Taliesin sie mitnehmen, wenn sie ihn darum bat. Sie glaubte, daß er sie liebte. Aber er war der Herrin ergeben. Würde er für eine Tochter, die möglicherweise nicht einmal die seine war, ihren Zorn riskieren? In den neun Monaten, die Viviane inzwischen auf Avalon lebte, hatte sie ihre Mutter nur ein einziges Mal wirklich zornig gesehen. Ana hatte erfahren, daß der Großkönig seine Gemahlin verstoßen hatte, die in Avalon erzogen worden war, weil er die Tochter des Sachsen Hengist heiraten wollte. Der Übeltäter befand sich außerhalb ihrer Reichweite in Londinium, und der Zorn der Herrin konnte sich nicht entladen. Deshalb herrschte in Avalon zur Zeit eine höchst spannungsgeladene Atmosphäre. Wenn man sie ermahnte, daß es notwendig sei,

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