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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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seine Gefühle zu kontrollieren, hatten ihre Lehrer zweifellos recht.
    Ich muß einfach abwarten , dachte Viviane und nahm sich den nächsten Stein vor. Ich habe Zeit. Wenn ich alt genug bin und sie mich bei der Einweihung durch die Nebel schicken, laufe ich einfach weg ...
    Die Sonne ging unter; die Wolken verwandelten sich in goldene Banner, und in der Luft lag die Stille des Augenblicks, in dem sich die Welt in der Schwebe zwischen Tag und Nacht befindet. Viviane wußte, daß sie sich beeilen mußte, um vor dem Abendessen fertig zu werden. Im Eimer war beinahe kein Wasser mehr. Sie stand mühsam auf und machte sich auf den Weg, um frisches zu holen.
    Die Quelle, die nur bei bestimmten Zeremonien aufgedeckt wurde, befand sich in einer uralten Steinkammer. Eine Rinne leitete das Wasser zum Spiegelteich, in den die Priesterinnen blickten, wenn sie die Zukunft sehen wollten. Von dort floß es in einer Überlaufrinne zwischen den Bäumen hindurch in einen Trog, aus dem man es zum Trinken oder für andere Zwecke, etwa dem Putzen des Pflasters, schöpfen durfte.
    Als Viviane am Spiegelteich vorbeiging, verlangsamten sich ihre Schritte wie von selbst. Taliesin hatte sie gelehrt, daß die Wirklichkeit, nicht jedoch das Symbol, das Entscheidende war. Die Wirklichkeit sah so aus, daß das Wasser im Trog genau dasselbe Wasser war wie das im Teich. Sie blickte sich um. Die Zeit wurde knapp, und sie konnte niemanden sehen. Viviane machte schnell einen Schritt zur Seite und beugte sich vor, um den Eimer in das Wasser zu tauchen.
    Der Teich brannte lichterloh.
    Der Eimer entglitt ihrer Hand und rollte über die Steine. Viviane sank auf die Knie und starrte in das Wasser. Sie klammerte sich an den Steinrand und stöhnte beim Anblick dessen, was sie darin sah, ohne sich jedoch abwenden zu können.
    Eine Stadt brannte. Rote Flammen züngelten an den Häusern empor, loderten in goldenen Zungen hoch auf, wenn sie neue Nahrung fanden. Schwarzer Rauch verhüllte den Himmel. Gestalten bewegten sich. Sie waren schwarz vor den Flammen und trugen Dinge aus den brennenden Häusern. Viviane dachte, die Menschen versuchten, ihre Habe zu retten, doch dann sah sie das Aufblitzen eines Schwertes. Ein Mann stürzte zu Boden; aus seinem Hals schoß Blut, und der Mörder warf das Kästchen, das sein Opfer in den Händen getragen hatte, auf eine Decke, wo bereits Stücke aus dem Leben anderer Menschen gelandet waren. In den Straßen lagen Leichen. Hinter einem Fenster in einem Obergeschoß sah sie ein Gesicht, dessen Mund sich zu einem stummen Schrei öffnete. Die Barbaren mit den blonden Haaren waren überall, und sie mordeten lachend. Der Blick verengte und weitete sich. Auf den Straßen, die aus der Stadt hinausführten, flohen die Menschen. Manche von ihnen hatten Tiere vor die Karren mit ihren Besitztümern gespannt, andere zogen die Karren selbst, schleppten Bündel auf dem Rücken oder, noch schlimmer, schwankten ohne jede Habe vorwärts. Die erlebten Schrecken hatten ihre Augen leer werden lassen.
    Auf einem umgestürzten Markstein hatte sie den Namen ›Venta‹ gelesen. Doch das weite Land, das die Stadt umgab, war flach und sumpfig. Also handelte es sich nicht um das Venta der Silurer. Was sie sah, mußte sich weit im Osten ereignen, in der Hauptstadt des alten Icener-Landes. Ihr Bewußtsein klammerte sich an solche Überlegungen, um Abstand zu halten von dem, was sie gerade gesehen hatte. Doch die Vision hielt sie in ihrem Bann. Sie sah die große Stadt Camulodunum mit dem mächtigen Stadttor in Flammen und viele andere zerstörte oder brennende römische Städte. Mauern barsten und Stadttore splitterten unter den Stößen sächsischer Rammböcke. Raben hüpften beiseite, wenn Trupps von Plünderern siegestrunken durch verlassene Straßen zogen, und kamen schnell zurück, um ihr Mahl auf den unbegrabenen Leichen fortzusetzen. Ein räudiger Hund lief mit einer abgetrennten Menschenhand im Maul über das Forum.
    Außerhalb der Städte schienen die Verwüstungen weniger groß, doch der Terror fegte mit seinen dunklen Schwingen das Land leer. Sie sah, wie die Bewohner abgeschiedener Villen Gold und Silber vergruben und auf ihrem Weg nach Westen das reife Getreide zertrampelten. Die ganze Welt schien vor den sächsischen Wölfen zu fliehen.
    Feuer und Blut vermischten sich in leuchtend roten Wirbeln, als sich ihre Augen vor dem namenlosen Grauen mit Tränen füllten. Sie schluchzte, doch sie konnte den Blick nicht abwenden. Allmählich wurde

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