Die Herrin von Rosecliffe
Waliser ihr den Weg. »Geht in die Halle zurück«, befahl er. »Dies ist kein Ort für Frauen.«
»Lass mich vorbei!« Isolde funkelte ihn wütend an. »Ich muss mit Rhys sprechen.«
»Ihr werdet warten müssen«, beharrte der Mann, allerdings weniger selbstsicher als zuvor.
Isolde stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »Vielleicht hast du vergessen, dass es bei den Verhandlungen zwischen Rhys und meinem Vater nicht nur um Rosecliffe Castle, sondern auch um mich gehen wird! Was ich Rhys zu sagen habe, ist sehr wichtig. Sein Leben - euer aller Leben - könnte davon abhängen.«
Der Waliser schaute betreten zur Seite, und Isolde wusste, dass sie diese Auseinandersetzung gewonnen hatte. Doch das war ein schwacher Trost. Ihre Aufgabe bestand darin, irgendwie die tödliche Konfrontation zwischen Rhys und ihrem Vater zu vermeiden, und die Chancen, dass es ihr gelingen könnte, waren gleich null.
Seufzend stieg sie die steile Steintreppe hinauf. Auf dem Wehrgang blies ein eisiger Wind. Isoldes Blick schweifte über die idyllische winterliche Landschaft in der Ferne die verschneiten Wälder, dazwischen der Fluss Geffyn mit dichtem Buschwerk an beiden Ufern. Bedeckte eine Eisschicht den ganzen Fluss, oder strömte das Wasser in der Mitte immer noch unaufhaltsam dem Meer zu?
Isolde wünschte sehnlichst, sie könnte sich auch einfach irgendwohin in die Ferne treiben lassen, weit weg von der bevorstehenden Schlacht, bei der es keinen richtigen Sieger geben würde.
Aber sie konnte dem Schicksal nicht entfliehen. Außerdem war Rosecliffe ihr Zuhause. Deshalb straffte sie die Schultern und ging zum Wachturm, wo Rhys' Männer sich versammelt hatten.
Die Blicke, die ihr zugeworfen wurden, waren eine Mischung aus Misstrauen, Feindseligkeit und Prahlerei. Sie verkörperte in ihren Augen den Feind, den es endgültig zu besiegen galt. Doch es war Isolde im Moment völlig gleichgültig, was diese Rebellen von ihr hielten - sie musste sofort mit Rhys sprechen! Er stand mit Glyn dicht an der Brüstung und starrte auf die Straße hinab, die am Burggraben endete. Seine Helfershelfer machten ihr nur widerwillig Platz, als sie auf ihn zuging.
»Na, wollt Ihr die Niederlage Eures Vaters sehen?«, lachte einer.
»Winkt Euren Verwandten ein letztes Mal zu, denn näher kommen sie nicht an die Festung heran!«, höhnte ein zweiter Waliser.
»Lasst sie durch!«, brüllte Rhys, ohne sich nach Isolde umzudrehen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der kleinen Reiterschar jenseits des Burggrabens. »Komm her, Isolde!«, befahl er. »Dein Vater und dein Onkel wollen dich sehen.«
Ihre Kehle war wie zugeschnürt während sie an seine Seite trat. Auf dem Wachturm war es kalt und still. Kein Vogel kreiste kreischend am Himmel. Kein Hund bellte unten im Hof. Sogar die Männer hinter ihr waren verstummt. Nur der Wind heulte um die hohen Mauern, als wollte er drohendes Unheil ankündigen.
»Rhys, bitte ... «, flüsterte Isolde und legte ihm eine Hand auf den Arm. Dabei spürte sie, wie angespannt seine Muskeln waren. »Rhys ... «
Er schüttelte ihre Hand ab, packte sie am Arm und zerrte sie noch weiter nach vorne. »Hier ist sie, Fitz Hugh! Unverletzt - wie ich gesagt habe.«
Isolde riss ihre Augen widerwillig von seinem harten Profil los. Unter sich - so nahe und doch unerreichbar - sah sie sechs Reiter, angeführt von ihrem Vater und Onkel. Impulsiv beugte sie sich weit über die Brüstung, überwältigt von Liebe zu ihrer Familie. Sie winkte, und einer der Männer winkte zurück. Isolde hielt den Atem an - konnte das ihr jüngerer Bruder Gavin sein?
Er war es! Tränen brannten in ihren Augen. Sogar Gavin, der noch nicht einmal zum Ritter geschlagen worden war, wollte es sich nicht nehmen lassen, sie zu retten ... Der Liebe ihrer ganzen Familie konnte sie sich gewiss sein ...
»Mir ... mir geht es gut! «, rief sie ihnen laut zu. »Macht euch keine Sorgen um mich! «
Ihr Vater trennte sich von den anderen und ritt am Burggraben entlang. Als er eine Hand zum Gruß hob, hatte Isolde fast das Gefühl, als hätte er ihre Wange gestreichelt.
»Papa«, flüsterte sie und streckte eine Hand nach ihm aus.
»Ich bin erleichtert, dich zu sehen«, schrie Randulf zu ihr herauf. »Wir alle haben uns schreckliche Sorgen gemacht.« Dann bekam seine Stimme einen stählernen Klang. »Lass sie gehen, Rhys ap Owain! Sie hat nichts mit unserem Konflikt zu tun.«
»Ich bin unverletzt«, rief Isolde, bevor Rhys etwas antworten konnte. »Und ich habe keine
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