Die Herrin von Sainte Claire
Sebastians Augen wurden kreisrund, und sein Gesicht färbte sich puterrot.
»Ihr würdet es wagen, das Sakrament der Ehe zu schänden …?«
»Seid versichert, das würde ich«, gab Gilbert ungerührt zurück.
Während der Priester seinen Singsang erheblich beschleunigte, drang ein Sonnenstrahl durch das schmale Kapellenfenster und fiel auf Alaines Haupt. Ein Goldglanz umgab jetzt ihr Haar, die langen, dichten Wimpern ihrer gesenkten Lider schimmerten hell. Gilberts Ungeduld wuchs zu ungezügelter Begierde. Ihr Anblick im Lichtschein, wie ein Engel im Gebet versunken, steigerte sein Verlangen sie zu besitzen und jedes Fünkchen Unschuld aus ihrer Seele zu vertreiben.
Gilbert war eben im Begriff, die Zeremonie lauthals zu beenden, da polterte ein Ritter durch den Türbogen in die Burgkapelle herein.
»Sir Gilbert«, keuchte er. Offensichtlich war er den ganzen Weg die Treppen hochgerannt.
Gereizt und mit verärgerter Miene wandte sich Gilbert um. »Was soll das heißen, zum Teufel? Wie könnt Ihr es wagen …?«
»Wir werden angegriffen! Ein Heer näherte sich uns aus dem Osten und hat uns beinahe schon erreicht!«
Gilbert sprang auf, Zornesröte im Gesicht. »Wer ist es?«
»Ich kenne das Wappen nicht, Sir. Ein roter sich aufbäumender Drachen auf schwarzem Hintergrund.«
Grollend wandte sich Gilbert zu Alaine, die sich dankbar erhoben hatte. »Ist Euch dies Wappen bekannt?« In seinem Ton schwang der Vorwurf mit, sie hätte womöglich die Neuankömmlinge einfach aus der Luft herbeigezaubert, einzig um ihn in Wut zu bringen.
Stolz hob sie das Kinn und ergötzte sich an seinem Schrecken. »Nein, ein solches Wappen kenne ich nicht.«
Joanna, die händeringend in der Ecke der Burgkapelle stand, sowie Sir Oliver und der Priester gaben ihm die gleiche Antwort. Nein, niemand wußte wer der Neuankömmling war. Sollte es ihm aber gelingen, Gilbert zu verjagen, konnte sie ihm zumindest dafür dankbar sein, auch wenn ihr noch Schlimmeres als bei ihrem jetzigen Bezwinger drohte.
Gilbert tobte, er verfluchte das Schicksal, das ihm das zugefügt hatten. Ausgerechnet jetzt!
»Sir«, mahnte ihn der Ritter. »Die Fallgitter und das Tor sind bei unserem Einfall zu Bruch gegangen, und der Wachtturm bröckelt auf einer Seite. Wir haben nicht genügend Zeit, um …«
»Ich weiß, ich weiß! Sammelt die Bogenschützen auf der Mauer über dem Tor und die Pikeniere im Wehrgang. Ich bin sogleich zur Stelle.«
Der Ritter eilte mit seinen Anweisungen davon. Nun wandte sich Gilbert an Alaine. »Laßt Euch nicht durch diese kleine Unterbrechung bekümmern. Wir bringen die Zeremonie zu Ende, wenn dieser Eindringling verjagt worden ist.« Er machte eine knappe Verbeugung und lächelte niederträchtig. »Seid versichert, Mylady, ehe die Sonne untergegangen ist, werdet Ihr unter der Haube sein und im Ehebett liegen. Dann herrscht kein Zweifel mehr, wer Ste. Claire besitzt … und seine Erbin.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich auf den Fersen um und verschwand.
»Ein gewaltiger Stahl soll seine Eingeweide durchbohren!«
Pater Sebastian blickte sie tadelnd an. »Alaine, mein Kind! Was habe ich Euch immer beigebracht …?«
»Schwätzt mir nicht von Erbarmen, Güte und langes Martyrium, Pater!« erwiderte Alaine aufgebracht. »Ihr wart es ja nicht, der beinahe ins Bett dieses Schurken gezwungen worden wäre!«
»Alaine«, tönte Joanna streng. »Benimm dich! Schäme dich, solche Worte vor einem Gottesmann in den Mund zu nehmen!«
Pater Sebastian aber kicherte nur und schüttelte den Kopf. Er kannte ihre unverblümte und freimütige Art. Sie machte keine Umschweife, sie ging frank und frei mit jedermann um – ein Wesenszug, den man an einem Mann schätzt, der einen bei einer Frau jedoch leicht aus der Fassung bringen kann.
»Ja, mein Kind, Ihr habt, weiß Gott, guten Grund zornig zu sein …« Er lächelte sie milde an. »Aber als gute Christen sollten wir zumindest dafür beten, daß Sir Gilbert unverletzt davongejagt wird oder, sagen wir, ohne tödliche Verletzung.« Sein wohlbekanntes koboldhaftes Schmunzeln brachte Alaine unwillkürlich zum Lachen.
»Gilbert ist wenigstens ein Feind, den wir kennen«, Joanna begann besorgt auf und ab zu gehen. »Wer weiß, was dieser Neuankömmling von uns verlangt, wenn er Gilberts Mannen besiegt hat?«
Seidengeraschel kündigte Joannas drei Töchter an. Allen voran Gunnor, die älteste, die verstört durch den Türbogen der winzigen Burgkapelle eilte.
»Was ist
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