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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Innerlich maß sie den Abstand und die Fluglinie, sie faßte das Ziel ins Auge und ließ los.
    Entsetzt holte die Menge tief Luft. Ein plötzlicher Windstoß zerzauste Alaines Haare und bewegte die Äste in den Bäumen. Der Pfeil zitterte in der Luft, dann bohrte er sich eine halbe Pfeillänge vom Schwarzen entfernt in die Zielscheibe.
    Ein siegessicheres Grinsen breitete sich über Roriks Gesicht. Sihtric grunzte vor Vergnügen. Alle anderen auf dem Feld verharrten in Todesstille.
    »Nun, meine verehrte Geächtete«, sprach Rorik feixend. »Mir scheint, Ihr habt den Wettkampf verloren.«
    Für einen Augenblick versagte Alaine die Stimme. Sie war vollkommen fassungslos. »Der Pfeil flog genau. Das war der plötzliche Windstoß …« Sie zögerte. Es war nicht ihre Art, nach Entschuldigungen zu suchen. Aber Ste. Claire stand auf dem Spiel. »Er hätte richtig getroffen. Ihr saht es selbst.«
    »Aber natürlich«, stimmte ihr Rorik bereitwillig zu. »Nur dieser plötzliche unerwartete Wind. Die Natur scheint gegen Euch zu sein, Mylady. Oder vielleicht gar Gott selbst.«
    »Das ist unredlich!« ertönte laut Garins Stimme aus der Menge. »Noch einmal schießen!«
    Sein Ruf wurde von anderen aus der Truppe aufgefangen, bis ihre Stimmen über das ganze Feld erschollen.
    »Nein!« antwortete Sihtric. »Der Wettkampf ist gewonnen!«
    »In diesem Wettkampf zählt die Geschicklichkeit und nicht der Zufall. Ich verlange eine Wiederholung.«
    Sir Rorik schüttelte den Kopf. »In jedem Wettkampf spielt der Zufall eine Rolle. Das Duell ist gewonnen. Ihr habt Euer Ehrenwort gegeben. Wollt Ihr es brechen, mein Fräulein Geächtete?« Roriks Augen funkelten mit unverschämter Herausforderung.
    »Alaine!« Garin bahnte sich den Weg an ihre Seite. »Gebt nur den Befehl, Mylady, und dieser gemeine Abschaum stirbt auf der Stelle!«
    Alaine jedoch konnte ihren Blick nicht von Roriks Augen lösen. Für einen Moment schien die Welt um sie herum ausgeblendet zu sein; nur noch sie beide standen auf dem herbstlich braunen Feld und blickten sich tief in die Augen. Mit einem Mal bangte sie um mehr noch als um Ste. Claire, um sich und ihre tapfere kleine Truppe.
    Auf ihr fortgesetztes Schweigen hin, zog Garin mit fest entschlossener Miene das Schwert.
    »Haltet ein!« befahl sie. »Habt Ihr denn alles vergessen, was mein Vater uns über die Ehre gelehrt hat? Wolltet Ihr tatsächlich einen unbewaffneten Mann angreifen?«
    »Er machte den Eindruck, als würde er Euch etwas antun wollen«, entgegnete ihr Garin.
    »Wie könnte er mir etwas antun?« Ihr Lachen klang hohl. »Nun gut, Herr Ritter. Ihr habt den Sieg davongetragen, also könnt Ihr Euch und dieser Fleischberg von Eurem Gefährten unversehrt auf den Weg machen.«
    Man setzte Rorik und Sihtric auf ihre Pferde, fesselte sie und verband ihnen die Augen. Vier der kräftigsten Mannen Alaines umzingelten beide während der Vorbereitungen zum Aufbruch. Sie hatten die Anweisung bekommen, ihre Gefangenen bis zum Waldesrand zu führen, an dem der Obstgarten außerhalb der Mauern von Ste. Claire grenzte.
    »Gute Reise, Herr Drache«, rief Alaine höhnisch, ehe sie sich auf den Weg machten.
    Rorik wandte sich brüsk in ihre Richtung. »Sehe ich Euch zum letzten Mal, meine verehrte Geächtete?« fragte er mit schiefem Lächeln.
    »Wohl kaum, Usurpator. Ihr habt den Wettkampf unredlich gewonnen. Also kämpfe ich weiter. Ihr werdet mich erst dann los, wenn kein Atemzug mehr in mir ist.«
    Seine Antwort unter leisem Gelächter, schien auf etwas hinzudeuten, das sie nicht enträtseln konnte. »Der Friede sei nicht zu sehr mit Euch, Lady Alaine de Ste. Claire. Ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung.«

6
    »Mylord! Sir Rorik!« Der Hauptmann aus seiner Gefolgschaft hastete Rorik hinterher, der mit seinen langen Beinen in Richtung Burgtor stürmte.
    »Was hat sich denn zugetragen, mein Herr? Ihr ward noch in der einen Minute unmittelbar hinter uns und in der nächsten ward Ihr verschwunden. Drei Suchtrupps haben auf meinen Befehl die Wälder nach Euch durchkämmt.«
    Sihtric kicherte und ließ sich auch nicht von Roriks saurer Miene zum Schweigen bringen. »Was sich zugetragen hat? Das ist eine gute Geschichte! Los, erzähl sie ihm doch, Rorik!«
    »Mylord?«
    »Was sich zugetragen hat, Hauptmann?« Rorik grinste höhnisch. »Waldelfen haben uns gewaltsam entführt und vor die Waldhexe gebracht. Das war’s.«
    Der Hauptmann sah seinen Herrn mit einigem Befremden an, wagte es aber nicht, ihm noch

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