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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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stehen.
    »Was ist, Sir Oliver?«
    »Ich habe eine Botschaft von Lord Rorik zu überbringen, Mylady!«
    »Was für eine Botschaft?« Sie überlegte, auf welche Probe sie Rorik heute stellen würde. Ihr Gemüt hatte sich immer noch nicht von dem gestrigen Schrecken erholt. Obwohl die acht Opfer Roriks am frühen Morgen sich in einigermaßen guter Laune nach Hause begeben hatten – dankbar, daß sie noch am Leben waren –, quälte sie weiterhin die Erinnerung an die Peitschenhiebe.
    »Rorik bittet Euch, Eure Lumpen ausziehen. Eure Mägde sollen Euch die schönsten Gewänder anlegen. Er befiehlt Euch, heute abend mit den Edelleuten bei Tisch zu speisen.«
    Alaine sah den alten Mann überrascht an, dann verzog sich ihr Mund zu einem bitteren Lächeln. »Was soll das heißen? Mägde dienen einer Leibeigenen? Rorik speist zusammen mit einer schmutzigen Küchenmagd? Gewiß irrt Ihr Euch, Sir Oliver.«
    Oliver hob die Brauen. »Das ist kein Irrtum, Mylady. Ich rate Euch, streift diese bittere Rolle ab, die Ihr Euch auferlegt habt und nutzt seine gute Laune aus.«
    Alaine stemmte die Hände in die Hüften und sah Oliver prüfend an. »Was hat er für einen Grund genannt?«
    »Keinen Grund.« Als sie ihn weiterhin eindringlich ansah, begann er unruhig von einem Bein zum anderen zu treten. »Kommt schon, Kind. Nehmt den Sinneswandel des Herrn mit vertrauensvollem Herzen an. Vielleicht ist er zu dem Schluß gekommen, daß Eure Strafe beendet ist. Freut Euch!«
    »Was heißt hier schon mit vertrauensvollem Herzen!« murmelte Alaine vor sich hin und wandte sich ab, um das Feuer unter dem Kessel zu schüren. Was immer Rorik vorhatte, sie war sicher, daß es ihr nichts Gutes verhieß.
    »Hilda!« Sir Oliver rief die plumpe kleine Haushälterin zu sich, als sie in den Saal trat. Er war dankbar, seine halsstarrige Herrin jemanden anderen überlassen zu können. »Kümmere dich um unsere Herrin. Sie soll heute abend mit dem Herrn speisen.«
    »Das hat man mir auch gesagt.« Hilda entblößte einen Mund voller halbverotteter Zähne zu einem seligen Lächeln. »Es war schon höchste Zeit, daß dieses großes Ungeheuer zur Vernunft kommt. Wie schön, Euch wieder auf dem rechtmäßigen Platz zu sehen, meine Herrin.«
    Alaine machte ihrem Ärger auf die beiden mit einem Seufzer Luft. »Er spielt nur ein Spiel. Er wird mir heute abend bei Tisch einige Demütigungen an den Kopf werfen, und wenn er seinen Spaß gehabt hat, finde ich mich wieder auf meinem Strohlager in der Küche.«
    »Nein, meine Herrin«, antwortete Hilda. »Sir Rorik mußte Euch eines Tages wieder Euren rechtmäßigen Platz zurückgeben.« Wieder zeigte sie ihr Grinsen voller schwarzer Zähne. »Und mit Verlaub, Ihr seid keine besonders gute Magd. Ich bin froh, Euch wieder auf dem Podium zu sehen, wo Ihr hingehört!«
    Alaine wurde ins Gemach bugsiert, das sie einst mit Gunnor und Mathilde geteilt hatte. Ihre Haarbürsten und Kämme lagen noch alle auf dem Tisch neben dem großen Bett, so wie Alaine sie an jenem Tag – eine ganze Ewigkeit war es her – hingelegt hatte, ehe sie an dem kalten, dunklen Morgen ans Grab ihres Vaters gegangen war.
    Hadwisa prüfte schnüffelnd eine Auswahl feiner Öle, um zu entscheiden, welches sie für das Bad ihrer Herrin verwenden sollte.
    »Was zieht Ihr vor, mein Lämmchen?«
    Sie bot die Öle Alaine dar, die aber wies sie ungehalten mit einer Handbewegung von sich.
    »Ich lasse mich nicht mit Ölen und Wohlgerüchen präparieren wie ein Schlachtopfer für seine allmächtige Herrlichkeit. Wenn ihm mein Geruch nicht paßt, kann er mich zurück in die Küche schicken.«
    Aber trotz ihrer Einwände fühlte sich das Bad wunderbar an. Sie genoß es, wie schon lange nichts mehr im Leben. Das dampfend heiße Wasser lullte sie fast in den Schlaf, und der zarte Rosenduft des Öls ließ sie beinahe die Gerüche, den Schmutz und die Plackerei der Küche vergessen. Sie spielte in Gedanken durch, wie groß Roriks Zorn auf sie wohl wäre, wenn sie einfach zum Abendessen nicht erschiene und den restlichen Abend in dem köstlichen heißen Bad verbrächte. Da vernahm sie die flötende Stimme Mathildes, die sie aus ihren Träumereien riß.
    »Oh, Alaine! Ist es nicht wunderbar? Ich wußte, daß er nicht so grausam sein würde, dich für immer in die Küche zu verbannen!«
    Alaine öffnete ein träges Auge und warf ihrer Stiefschwester einen nicht gerade sehr freundlichen Blick zu. Sie wollte die Atempause so lange wie möglich auskosten und nicht dem

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