Die Herrin von Sainte Claire
und einer Strafe entgehen.« Seine grünglitzernden Augen bohrten sich in ihren Augen fest. »Vor allem Ihr solltet das wissen.«
Er streckte die Hand aus. »Gebt mir die Peitsche.«
Sie zögerte, während ihre Finger krampfhaft die Peitsche umklammert hielten. Die Menge war totenstill. Die Spannung zwischen dem Ritter zu Pferd und dem entschlossenen Mädchen mit den fest zusammengepreßten Lippen flirrte beinahe greifbar in der Luft. Schließlich bewegte sich Alaine, als wäre jeder Schritt ein innerer Kampf, auf ihn zu und legte den Peitschenstock in seine Hand.
Ein winziges Lächeln zuckte um Roriks Mund, als sich seine langen Finger um die Peitsche schlossen. Er warf sie dem Schmied zu, dann bückte er sich, legte seine Hand auf Alaines Schulter und drehte sie dem Pranger zu.
»Da Ihr nun meint, das Schicksal dieser Narren teilen zu müssen, könnt Ihr von hier zusehen, wie ihnen ihre Strafe zuteil wird. Und wenn Ihr ihre Wunden verbindet, sagt ihnen, daß sich diejenige ergeben hat, für die sie gekämpft haben. Überzeugt sie gründlich, Alaine. Ich will nicht mehr den Rücken von irregeleiteten Männern blutig schlagen, die glauben, aus Loyalität zu Euch zu den Waffen greifen zu müssen.«
Kreuzunglücklich und klammen Herzens stand sie nun da, als die Schläge ausgeteilt wurden. Rorik hielt ihre Schulter mit eisernem Griff fest. Anfangs weigerte sie sich aus Stolz, die Augen zu schließen. Dann endlich gab sie ihrem gramvollen Herzen und flauem Magen nach, und versuchte die Szene hinter fest geschlossenen Lidern auszublenden. Aber es gab kein Entkommen vor dem Klatschen der Peitschenhiebe und den Schreien der Opfer, die ihr durch Mark und Bein fuhren. Nachdem der letzte der unglückseligen acht Männer losgebunden und fortgetragen worden war, um seine Wunden zu säubern und zu stillen, stand sie schweißgebadet und ihr Magen drohte zu rebellieren.
Die Hand, die sie fest umklammert hielt, versetzte ihr einen sanften Schubs in Richtung der Ställe, wo die acht Dörfler verarztet wurden.
»Seht nach Euren Kameraden, Alaine«, befahl Rorik mit barscher Stimme. »Und kümmert Euch darum, daß sie begreifen, wem sie ab jetzt zu dienen haben.«
Seine Augen verfolgten sie nachdenklich, als sie sich auf den Weg zu den Ställen begab, sichtlich schwankend vor innerer Erregung. Mit offensichtlicher Anstrengung straffte sie die Schultern, drückte das Kreuz durch und festigte ihre Schritte. Zur Hölle mit ihr! fluchte Rorik stumm. Sie war jeder Zoll so stolz und aufrecht wie am ersten Tag, als er ihr im Wald begegnet war. Was sollte er bloß mit diesem Dickkopf anfangen?
Die Menge hatte sich zerstreut. Nun wurde Sihtric sichtbar, der angelehnt gegen einen Heuhaufen, Rorik mit wissenden Augen beobachtete.
»Man muß ihren Mut bewundern«, sagte der Nordmann beiläufig.
Ein Brummen Roriks war seine einzige Antwort.
»Und du kannst diesen Leuten keinen Vorwurf daraus machen, daß sie so einer wie ihr die Treue halten. Sie würden alles tun, was sie verlangt, bis zum letzten Mann.«
Rorik warf einen kurzen Blick auf die Stalltür, hinter der Alaine verschwunden war. »Worauf willst du eigentlich hinaus, mein Freund?«
Sihtric grinste boshaft. »Du weißt genau, worauf ich hinaus will, mein Junge.«
Rorik machte sich nicht die Mühe, abstreiten zu wollen. Er warf dem Nordmann einen übellaunigen Blick zu, worauf das Grinsen im Gesicht des blonden Hünen noch breiter wurde.
Roriks düstere Miene wurde langsam durch einen Ausdruck der Nachdenklichkeit abgelöst. Lange Zeit starrte er grübelnd auf den Stall. Seine Brauen zogen sich zusammen und plötzlich begann er stillvergnügt vor sich hin zu lachen.
»Ich wäre dazu imstande, Sihtric. Würde dich das überraschen?«
Sihtric schnaubte. »Nichts, was du tust, kann mich überraschen!«
»Es wäre die angemessene Antwort auf unsere Schwierigkeiten hier, glaube ich, und es kostet mich nicht viel.« Er grinste verschwörerisch. »Es gibt mehr als nur einen Weg, eine Burg zu erobern und gewiß mehr als eine Art und Weise, eine Widerspenstige zu zähmen.«
»Lady Alaine!«
Der alte Sir Oliver humpelte auf sie zu, gerade als sie damit kämpfte, einen Kessel voller Wasser über das Feuer zu hängen. Seine Gelenke waren mit zunehmender Kälte draußen steifer geworden. In letzter Zeit war sein Gang langsam und unsicher. Aber jetzt trat er beinahe freudig beschwingt auf sie zu.
»Lady Alaine!« wiederholte er und blieb etwas wacklig vor ihr neben dem Ofen
Weitere Kostenlose Bücher