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Die Herrlichkeit des Lebens

Die Herrlichkeit des Lebens

Titel: Die Herrlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kumpfmüller
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beizubringen, aber jetzt wissen sie Bescheid, sie hat kleine Auftritte in den hin und her gehenden Briefen, sie hat einen Namen, sie ist die Frau an seiner Seite, der man sogar dankbar ist; gute Fee haben die Eltern sie im letzten Brief genannt, beinahe wie im Märchen.
    Schlechte Nachrichten gibt es wegen der Wohnung. Sie haben mit der Vermieterin gesprochen, eigentlich nur, weil sie überlegt haben, aus Kostengründen das zweite Zimmer abzugeben, doch nun stellt sich heraus, dass sie zusätzlich das dritte mieten sollen, denn Frau Rethmann braucht Geld, die Summe, die sie sich vorstellt, ist unerschwinglich. Ja, leider, sagt sie, und Franz will wissen, wann, worauf sie erwidert, nicht von heute auf morgen, zum 1. Februar habe sie sich vorgestellt, außerdem gebe es eventuell Ersatz, eine Bekannte suche nach einem Todesfall neue Mieter, sie werde mit ihr sprechen.
    Anders als im November trifft sie der Rauswurf wie aus heiterem Himmel. Franz nimmt die Sache sehr schwer, fühlt sich vertrieben, mag die Wohnung nicht mehr, zweifelt an Berlin, ihrem Leben, wahrscheinlich sollte manbesser wegfahren. Aber wohin? Er hat ihr von Meran erzählt, denn vor Jahren ist er in Meran gewesen, aber sie kann es sich nicht vorstellen, außerdem war er damals nur zu Besuch, allein, mehr oder weniger in Ferien. Also doch lieber der Gardasee, wo er ebenfalls bereits gewesen ist? Der Gardasee, sagt er, ist fast so groß wie das Meer, aber italienisch, mit kleinen bunten Dörfern, in der Ferne die Berge. Auch in Meran sind überall Berge, sie fürchtet sich vor diesen Bergen, nie hätte sie gedacht, dass ihr Leben von heute auf morgen derart in Verwirrung geraten könnte.
    Sie berät sich mit Judith. Die Freundin hat schon mehrmals angerufen und gesagt, dass sie sich treffen müssen, es gebe Neuigkeiten. Nein, kein Mann, weil Dora gefragt hat: Ist es ein Mann? Na ja, vielleicht, hat Judith gesagt, aber anders als du denkst. Sie verabreden sich in einem Café in Moabit, das einem von Judiths Onkeln gehört, und noch während sie bestellen, ist es heraus: Judith geht nach Palästina, Ende Mai, spätestens im Sommer. Der Mann, um den es sich handelt, heißt Fritz, ist nicht gar so alt, sechsunddreißig, von Beruf Arzt, seit Langem Zionist. Mit ihm will sie in einen Kibbuz am Meer. Sonst ist zwischen ihnen nichts, aber er hat sie gefragt, sie hat jemanden, mit dem sie gehen kann. Willst du nicht mit? Dora erzählt von Meran, sie weiß nicht, ob sie nach Meran kann. Judith meint: Wenn ihr nach Meran könnt, könnt ihr genauso gut nach Palästina. Aber das ist völlig ausgeschlossen, wovon sollen sie dort leben, von seinem Zustand abgesehen, wo um Himmels willen sollen sie bloß hin.
    Es schneit und schneit, sie denkt an Judith, die nach Palästina geht, während sie in Gedanken dauernd durch Gebirge spaziert. Franz ist sehr still, er möchte endlichwissen, wie es mit der Wohnung weitergeht, aber die Bekannte von Frau Rethmann ist verreist, man trifft sich auf dem Flur und grüßt, geht seiner Wege. Einmal, nachmittags, steht sie mit einem Mann vor der Tür, angeblich ein Interessent, der nicht sonderlich begeistert wirkt. Er wirft einen schiefen Blick auf Franz, der auf dem Sofa liegt, während Frau Rethmann die Vorzüge der drei Zimmer preist und so tut, als sei sie untröstlich, dass sie diese wunderbaren Mieter ziehen lassen muss.
    Ein wenig hängen sie jetzt doch in der Luft. Mal ist es denkbar, dass sie bleiben, mal sehen sie sich in der Wohnung der Bekannten. Oder sollen sie Berlin verlassen? Wieder fällt der Name Meran, sie stellt sich darauf ein, Meran, warum nicht, dann redet Franz von Wien, was sie, ehrlich gesagt, erstaunt, denn in Müritz hat er kein gutes Haar an Wien gelassen, Wien sei in jeder Hinsicht undenkbar, wenngleich es immerhin eine Stadt ist.
    Seit dem Fieber hat er kaum geschrieben. Er setzt sich am Abend hin, aber man merkt, dass er nicht zufrieden ist, die Arbeit strengt ihn an, nimmt ihm weiter Kraft statt ihm neue zu geben. Manchmal möchte sie ihn abhalten, mahnt und bittet, nicht so lange wie gestern, denn gestern ist es wieder die halbe Nacht gegangen. Sie hat ihn gehört, als er gekommen ist, hätte ihn gerne gefragt, was sie jedoch nicht wagt, beim Frühstück, wenn sie in seinem Schlafrock auf seinem Schoß sitzt und keiner weiß, wie es mit ihnen weitergeht.
    Sie hat die Geschichte mit dieser M. nie so recht verstanden, das, was er ihr erzählt hat, so wenig es gewesen ist. Wahrscheinlich hat er nicht

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