Die Herrlichkeit des Lebens
förmlich auf, schmiedet Pläne für die nächsten Tage, denn die Gegend ist wirklich sehr schön, der blumengeschmückte Balkon, das Zimmer, das voller Sonne ist. Alles ist weiß, die Wände, das Bett, Schrank und Waschtisch, es gibt einen Schreibtisch, der noch irgendwie Platz gefunden hat, deshalb ist es etwas eng, na gut, aber nicht völlig lieblos. Frau Hoffmann, die mit ihrem Mann zur Begrüßung gekommen ist, sagt, dass es ihr eine Ehre sei, es gibt eine kleine Führung, dabei interessiert sich Franz nur für das Zimmer. Es liegt im zweiten Stock zum Garten hin, in dem die ersten Rosen blühen. Drei, vier Patienten sitzen auf einer Veranda, weiter hinten scheint ein Bach zu sein, rundherum viel Wald und Weinberge.
Die ersten Tage sind wie Ferien auf dem Land. Sie sitzen auf dem Balkon und genießen die Wärme, Franz ist seit Tagen erstmals im Anzug, er ist voller Tatendrang, und sogehen sie nach dem Frühstück in den Garten, wo zu dieser Stunde nur eine jüngere Frau in der Sonne liegt, eine Baronesse, wie sich später herausstellt, die für ihren großen Appetit berühmt ist. Am hinteren Ende des Grundstücks befindet sich ein schmiedeeisernes Tor, durch das man in ein kleines Tal tritt, das vom Rauschen eines Bachs erfüllt ist, dem Gesang der Vögel, in dieser frühlingsgeschwängerten Luft. Sie wenden sich nach links, folgen eine Weile dem Bach, bis sie nach wenigen Minuten das Dorf erreichen. Obwohl der Weg nicht weit war, machen sie eine Pause auf einer Bank, weiterhin bester Dinge. Es gibt alle möglichen Spaziergänger, Familien mit Kindern im Sonntagsstaat, die in einen der beiden Gasthöfe zum Mittagessen gehen. Franz möchte eine Spazierfahrt machen, ein dicker Kutscher preist seinen Einspänner an und bringt sie für wenig Geld ins nahe gelegene Klosterneuburg, wo die Straßen noch belebter sind. Franz lacht, er ist fröhlich und ausgelassen, wie damals am Strand, er nimmt sie dauernd in den Arm und küsst sie, ihre Hände, Stirn und Nase, als würde er es wiederum nicht fassen, dass sie hier ist und bei ihm bleiben wird. Neben der Mäusegeschichte hat Max auch die über ihre erste Berliner Vermieterin verkauft, sie erscheint gerade heute in einer Prager Zeitung, die sie natürlich nicht haben, aber es ist doch ein Anlass, sich zu freuen und zu erinnern. Berlin liegt eine Ewigkeit zurück, wer weiß, ob sie es je wiedersehen werden, trotzdem reden sie jetzt über Berlin. Gestern Abend hat sie endlich an Judith geschrieben, was ihr nicht leicht gefallen ist, denn sie hat keine Worte für ihr derzeitiges Leben, das nur so an ihr vorbeizieht, in den Stunden, in denen sie nicht bei ihm ist, in ihrem neuen Zimmer, das nur irgendein Zimmer ist, eine provisorische Hülle, die man bei nächster Gelegenheit verlassen wird.
Auch am Ostermontag gehen sie durch das Tal mit dem Bach, aber diesmal nach rechts und weiter Richtung Wald, einen steilen Weg hinauf zu einer Anhöhe, von der man weit über Weinberge und Wälder blickt. Franz ist außer Atem, aber weiter voller Unternehmungslust. Er würde gern zum Heurigen, in der Sonne sitzen bei einem Glas Wein, warum auch nicht; sogar nach Wien könnte man bei Gelegenheit fahren, falls ihnen das Landleben zu langweilig wird. Es ist nur ein kleiner Spaziergang, doch kaum sind sie zurück, müssen sie erkennen, dass sie ihn besser unterlassen hätten. Franz ist völlig erschöpft, ihm ist kalt, weshalb er sofort zu Bett geht und selbst den Abschiedsbesuch von Felix nur so zur Kenntnis nimmt. Sehr viel weiß Dora von diesem Felix nicht. Er arbeitet als Bibliothekar an der Universität. Sie mag seine bedächtige Art, seinen stummen Trost, wie er von seiner Tochter Ruth spricht. Sie haben sich in das Lesezimmer gesetzt. Die meiste Zeit reden sie über Franz, seinen Traum von Palästina, der auch der Traum von Felix ist. Sie begleitet ihn zur Tür, wo er sie zu ihrer Überraschung ungelenk umarmt und sagt, wie ungern er sie verlässt. So allein seien die Tage sicher etwas lang. Aber nein, sagt sie. Wir sind uns gut, wir ertragen einander gut, in Berlin haben wir es lange genug geübt.
Zum Glück sind die Feiertage vorbei. Franz wünscht sich frisches Obst, man kann wieder einkaufen und kochen, und so hat sie wenigstens zu tun, bespricht sich mit der Köchin, einer lustigen Schlesierin, über die Abläufe, damit sie sich nicht gegenseitig behindern, aber es lässt sich ohne Schwierigkeiten regeln. Die Atmosphäre im Haus ist familiär, man grüßt sich auf den Treppen
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