Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
den Griff zu bekommen. »Ich vermute, man könnte sagen, ich habe ihm die Seele aus dem Körper genommen.« Vendevorex sah auf und blickte die Reihe der Gebäude entlang. »Ich bin überrascht, dass deine Mitmenschen bei dem ganzen Lärm nicht hierhergeeilt sind. Stehen die meisten Gebäude hier noch leer?«
»Meine ›Mitmenschen‹ neigen dazu, zusammenzubleiben. Ich halte mich in dieser Gegend auf, weil ich es liebe, allein zu sein«, sagte Bitterholz und hob Jandra vorsichtig hoch. Er neigte den Kopf in Richtung eines leeren Gebäudes. »Folge mir.«
Blasphet zupfte Unkraut aus dem Boden und warf es zur Seite. Das Arbeiten auf dem Balkon neben dem Gitter mit dem Giftefeu gab ihm die Gelegenheit, über das Sonnenlicht auf seiner Haut nachzudenken, das immer noch eine neuartige Empfindung war nach all den vielen Jahren Kerkerhaft. Die sinnlichen Genüsse, die die Welt bot, erregten ihn nach wie vor jeden Tag. Wie konnten andere so empfindungslos gegenüber einer Welt sein, die so voller Leben war? Blasphet bezweifelte, dass Albekizan, wenn er seinen Blick über das Königreich schweifen ließ, das sich so weit erstreckte, wie sein Auge reichte, auch nur ein Zehntel der Befriedigung verspürte, die Blasphet empfand, wenn er einfach nur diesen kleinen Garten aus Topfpflanzen versorgte. Er griff nach der Wasserkanne, hielt sie schräg und ließ einen Schauer aus frischem Menschenblut herabregnen, um die Erde in einem Topf mit Tollkirsche zu nähren. Oh, die schlichten Genüsse der Gartenarbeit.
Manchmal, wenn er über das aus dem Boden sprießende Leben nachdachte, schienen die Antworten so nah zu liegen. Die dunkle, gesunde Erde war reich an Verwestem und Exkrementen – sicherlich ein Schlüssel zum Geheimnis des Lebens. Aber in welches Schloss passte dieser Schlüssel?
Ein Schatten glitt über ihn hinweg. Er sah auf und stellte fest, dass sein Bruder vom Himmel herunterschwebte. Blasphet zog sich zurück, damit sein Bruder Platz zum Landen hatte.
»Blasphet«, sagte Albekizan, während er auf dem Balkon aufkam und dabei einige Topfpflanzen umstieß. »Dank deiner weisen Worte bin ich zu einer Entscheidung gelangt.«
»Ich verstehe«, sagte Blasphet. Er zuckte zusammen, als sein Bruder Blumen unter seinen schweren Krallen zerdrückte. »Seltsam. Ich erinnere mich nicht, dir geraten zu haben, herzukommen und meinen Garten zu zerstören.«
»Ich spreche von Bitterholz«, sagte Albekizan. »Ich habe sein Schicksal besiegelt. Aber zuerst benötige ich Informationen über die Freie Stadt. Alle sagen mir, dass sie sich vorzeitig füllt. Wie viele leben jetzt dort?«
Blasphet zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Es werden täglich mehr, obwohl der eigentliche Ansturm erst nach dem Vollmond nächste Woche stattfinden wird. Nach dem Erntemond, wie die Menschen ihn nennen.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich möchte eine Zahl hören. Wie viele Menchen leben in der Freien Stadt?«
»Wieso brauchst du diese Information so dringend?«, fragte Blasphet und ging in die Hocke, um die eingetopfte Tollkirsche wieder aufzurichten. Die rosafarbenen Blüten waren schrecklich zugerichtet. »Du hast gesagt, du hast deine Entscheidung getroffen, was Bitterholz angeht. Ist es möglich, dass du dich für ein bestimmtes Vorgehen entschieden hast, ohne die wichtigsten Informationen zu haben? «
»Ich werde ungeduldig, Bruder.«
»Also schön, wenn es dazu führt, dass du schneller von meinem Balkon verschwindest. Im Augenblick sind es ungefähr achttausend.«
»Eine ordentliche Menge«, sagte der König. »Und wie viele Wachen sind gegenwärtig in der Stadt eingesetzt?«
»Im Augenblick befindet sich der größte Teil der Wachen
draußen auf dem Land; sie bereiten sich darauf vor, die Menschen herzutreiben«, sagte Blasphet.
»Aber in der Stadt selbst? Wie viele sind da?«
»Kanst wird dir diese Frage beantworten können«, seufzte Blasphet.
»Du weißt alles über die Stadt. Tu nicht so, als wäre das nicht so«, sagte Albekizan.
Blasphet fühlte sich zum Widerspruch herausgefordert. Instinktiv wollte er jede Information zurückhalten, die Albekizan als nützlich erachten könnte. Aber ein anderer Teil in ihm war neugierig. Was hatte Albekizan vor? »Nach meiner Schätzung müssten es sechshundert Erddrachen sein. Fünfzig Offiziere von den Himmelsdrachen. Was hast du mit ihnen vor?«
»Da ist ein Platz in der Mitte der Stadt, oder? Groß genug, um eine Menge von achttausend Menschen aufzunehmen?
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