Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
wirst außerdem ein Messer bei den Sachen finden.«
Cron kroch über den Baumstamm in Richtung Beutel. Vorsichtig streckte er die Hand aus und berührte ihn, zog ihn dann zu sich und machte sich mit zittrigen Fingern an dem Band zu schaffen, das ihn verschloss. Schließlich gelang es ihm, ihn zu öffnen. Er fand einen schweren Umhang, den er sich über den Körper zog. Als er das tat, fiel ein Laib Brot aus dem Beutel und landete im Matsch. Cron hob das Brot auf und begann hungrig, davon zu essen.
Während er sich den Mund mit Brot vollstopfte, sagte er: »Ihr klingt so nah. Wieso kann ich Euch nicht sehen?«
»Ich ziehe es im Augenblick vor, ein anonymer Wohltäter zu bleiben«, erwiderte Vendevorex.
»Ihr seid unsichtbar«, sagte Cron. »Das schränkt die Möglichkeiten
ein, wer Ihr sein könntet. Vendevorex, ja? Der Zauberer.«
Vendevorex schwieg.
»Ihr habt dieses menschliche Schätzchen, ja? Das Mädchen. Sie war heute Abend auch da. Sie ist wunderschön.«
»Du verwechselst mich mit jemandem, Freund«, sagte Vendevorex.
»Klar«, erwiderte Cron und wischte sich den Mund ab, während er den Beutel nach weiterem Essen durchsuchte. Seine Augen leuchteten, als er ein hartgekochtes Ei herausholte. »Was ich gerne wüsste, ist, was man tun muss, um das Schätzchen eines Drachen zu werden. Es scheint ein ziemlich angenehmes Leben zu sein.«
»Ich glaube nicht, dass das Mädchen, von dem du sprichst, ein Schätzchen ist«, sagte Vendevorex.
»Sie war wie ein Drache angezogen, mit all diesen Federn«, sagte Cron. »Ich frage mich, ist damit auch – Ihr wisst schon – Sex verbunden? Finden Drachen Menschen attraktiv? Ich weiß, dass einige Mädchen heiß werden, wenn es um Drachen geht. Ich habe eine Schwester, die …«
Vendevorex ärgerte sich über diese Spekulationen, aber es war nicht der Zeitpunkt, die uninformierten Meinungen dieses Narren zu berichtigen. Er unterbrach Cron. »Du musst jetzt so schnell wie möglich zum Fluss zurückkehren. Kannst du den Ort finden, an dem du beobachtet hast, wie Bodiel vom Himmel heruntergekommen ist?«
»Ja«, antwortete Cron und spuckte ein Stück Eierschale aus. »Ich dachte, ich wäre am Ende. Wieso hat er mich nicht verfolgt?«
»Du … hast nicht gesehen, was passiert ist?«
»In dem Augenblick, als ich ihn gesehen habe, hab ich mich umgedreht und bin weggelaufen«, sagte Cron. »Was ist denn passiert? Und wieso helft Ihr mir?«
»Was passiert ist, ist unwichtig«, erwiderte Vendevorex. »Du musst nur wissen, dass ich jemand bin, der keine Geduld für unsinnige Tode hat. Dein Schicksal in diesem Leben ist ein grausames, Cron. Daran kann ich wenig ändern. Kehre zum Fluss zurück. Dieses Gebiet ist verlassen. Die Gruppe des Königs befindet sich inzwischen meilenweit weg. Wenn du am Fluss bist, wirst du dort ein kleines Boot finden und, sofern mein Glück anhält, auch auf Tulk stoßen. Nehmt das Boot, und fahrt bis morgen früh so weit flussabwärts wie möglich. Wenn ihr die Stadt Vielglück erreicht, geht zu Stank, und bittet ihn um Rat. Er wird euch für ein oder zwei Tage unterbringen. Das ist alles, was ich für euch tun kann.«
»Ich kenne den alten Stank«, sagte Cron. »Ich dachte, er wäre inzwischen gestorben.«
Vendevorex antwortete nicht darauf. Er hatte getan, was sein Gewissen von ihm verlangte; mehr konnte er nicht riskieren. Lautlos zog er sich zurück. Es blieb ihm nicht viel Zeit, Tulk zu finden.
Es war früh am Morgen, als Vendevorex zum Palast zurückkehrte. Er war erschöpft, denn er war in dieser Nacht über zwanzig Meilen weit geflogen, hatte Tulk und Cron ein Stück begleitet, während sie in ihrem Boot flussabwärts gerudert waren, um sicherzustellen, dass sie nicht sofort ergriffen würden. Als sie bei Morgendämmerung das Boot ans Ufer gezogen hatten, wie er es ihnen geraten hatte, und
dann im Wald verschwanden, hatte er das Gefühl gehabt, alles getan zu haben, was er hatte tun können.
Vendevorex kehrte zu seinen Gemächern zurück und suchte Jandras Zimmer auf. Er seufzte, als er sie dort nicht antraf. Tatsächlich überraschte es ihn nicht, dass sie sich seinem Befehl, im Zimmer zu bleiben, widersetzt hatte. Und er wusste auch, wo er sie finden würde.
Unsichtbar flog er außen an den Palastmauern entlang, bis er zu einer Reihe von Holzhütten kam, die den Fuß des Palastes säumten. Dies waren die Unterkünfte der menschlichen Bediensteten – Köche und Zimmermädchen, Arbeiter und Wäscherinnen –, die im Palast
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