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Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz

Titel: Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Maxey
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Brunnen der Menschen vergiften und sein Angreifer unerkannt sterben, nichts weiter als eine weitere aufgeblähte Leiche unter Millionen anderen, würde Zanzeroth niemals Genugtuung finden. Deshalb war es in seinem Interesse, die Pläne des Königs zu verhindern. Und wenn Shandrazel dazu das Werkzeug war, dann war das eben so.
     
    Shandrazel flog die ganze Nacht und den ganzen Tag hindurch, noch über den Punkt der Erschöpfung hinaus. Entsprechend
dem Brauch blieben ihm vierundzwanzig Stunden, um das Königreich zu verlassen. Bei Einbruch der Nacht wären alle Untertanen des Königs dazu verpflichtet, ihn zu töten. Seine älteren Brüder, so hieß es, waren alle zu den Geistlanden geflogen, wo die verfluchten, toten Städte die nördlichen Ödflächen überzogen. Es gab Gerüchte über mächtige Magie, die in den Geistlanden herrschen sollte; die Verheißung, das Unbekannte zu erforschen, hatte auch Shandrazel einmal in Versuchung geführt. Und doch flog er am nächsten Tag in Richtung Süden, nicht in die mögliche Sicherheit des Nordens, sondern tiefer in die Lande hinein, die von Albekizan regiert wurden. Er war entschlossen, den einen Ort im Königreich aufzusuchen, von dem er wusste, dass er dort freundliche Gemüter finden würde: das Kolleg der Türme.
    Blutrot gefärbte Wolken kündeten den Abend an. Shandrazels Ziel geriet schließlich in Sicht. Aus dem scheinbar endlosen Dach der Smaragdbäume, die dieses hügelige Land bedeckten, tauchten die hundert glänzenden Kupfertürme des Kollegs auf. Diese Stadt war vor langer Zeit von Biologen erbaut worden, als ein Ort, an dem die besten Geister des Königreichs sich versammeln und die großen Geheimnisse des Lebens studieren konnten. Mehr als die Burg seines Vaters empfand Shandrazel diesen Ort als sein Zuhause. Er war hier ausgebildet worden, hatte in den Bibliotheken Jahre mit dem Studium der Sammlungen von Büchern und Schriftenrollen verbracht. Wichtiger noch, er war hier wirklich gefördert worden; der Biologe Chapelion, Leiter der Universität, hatte ihn unter seine Schwingen genommen (wenn auch
nur im übertragenen Sinn, denn Shandrazel war doppelt so groß wie er) und ihn unterrichtet. In stundenlangen Streitgesprächen hatte er Shandrazel die Kunst beigebracht, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Einige hielten Chapelion für jemanden, der letztendlich ein Zyniker war, ein Skeptiker, der an nichts glaubte. Shandrazel wusste jedoch, dass Chapelion letztendlich ein Romantiker war, der die Wahrheit so sehr liebte, dass er sich niemals durch angenehme oder bequeme Falschheiten verführen lassen würde.
    Shandrazel konnte Chapelion in seiner Haltung gegenüber den uralten Mythologien, die die Rasse der Drachen fesselten, nur zustimmen. Wenn es einen Platz auf der Erde gab, an dem er gewiss Zuflucht finden würde, dann war es dieser.
    Das dichte Laubdach wich grünen, sanft gewellten Hügeln, die mit hohen Eichen bestanden waren. Unter ihm auf den Kieswegen deuteten Himmelsdrachen zum Himmel hinauf. Einige stiegen hoch und kamen zu ihm, riefen seinen Namen. Schon bald reiste er mit etwa zwanzig jungen Himmelsdrachen. Von den nahen Zinnen läutete eine Glocke zur Begrüßung.
    Shandrazel machte einen guten Landeplatz ausfindig. Er neigte die Schwingen, um langsamer zu werden, ließ sich sanft auf einen weißen Springbrunnen hinuntersinken, der sich in der Mitte des Kollegs befand. Drei marmorne Sonnendrachen reckten von der Mitte des Brunnens aus die Hälse zum Himmel; Wasser perlte aus ihren offenen Mündern und ergoss sich in einen Teich, der grün von Wasserlilien war. Shandrazel kam auf dem Rand des Springbrunnens
zur Ruhe; seine Klauen klammerten sich um den vertrauten Stein. Er erinnerte sich an den Geruch; die lebendige, feuchte Luft des Brunnenplatzes erzeugte Erinnerungen an Debatten, die sich über lange, warme Nächte erstreckt hatten. Zum ersten Mal seit zwei Tagen fühlte er sich sicher. Die Himmelsdrachen, die mit ihm geflogen waren, landeten ebenfalls und gesellten sich zu der zunehmend größer werdenden Menge. In dem Augenblick, den Shandrazel benötigte, um nach einem derart langen Flug wieder zu Atem zu kommen, war er von einem Meer aus blauen Gesichtern umgeben, und die Blicke aller richteten sich auf ihn. Sein Name erklang hundert Mal, als die Menge in allen Tonlagen – von neugierig und aufgeregt bis hin zu besorgt – über sein Auftauchen spekulierte. Aus der Kakophonie derer, die seinen Namen sprachen, hörten seine Ohren

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