Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
über die Wahrheit nach. Hatte sie in den weit entfernten Gefilden von Albekizans Königreich Verwandte? Gab es jemanden auf der Welt, den sie um Hilfe in dieser schrecklichen Zeit ersuchen konnte?
Vendevorex hatte Glück, dass er nach Belieben schlafen konnte. Jandra hatte nicht mehr richtig geschlafen, seit sie den Palast verlassen hatten. Die Stunden schleppten sich in der Dunkelheit dahin, während sie abwechselnd bei ihren Sorgen verweilte und durch ihre Erinnerungen streifte.
Manchmal, in dieser gewichtslosen, dunklen Leere des Halbschlafes, konnte sie noch den Rauch des Feuers von vor so langer Zeit riechen, bei dem ihr ihre Familie geraubt worden war, und sie konnte auch die blauen Krallen sehen, die in die Wiege zu ihr heruntergegriffen hatten, um sie zu retten.
Dann, als der Schlaf sie gerade holen wollte, rührte Vendevorex sich und weckte sie auf. Sie konnte an seinen Atemzügen erkennen, dass er vollständig wach war. Wie immer er auch seine innere Uhr stellte, es war eine Warnung erklungen. Sie setzte sich auf und fragte: »Stimmt etwas nicht?«
»Nein«, sagte er und befreite sich von der Decke. Er streckte sich, und die breiten Schwingen berührten die
entgegengesetzten Wände der Hütte. Die Diamanten auf seinen Schwingen glitzerten rot im Feuerlicht. »Ich bin in ein paar Stunden wieder zurück«, sagte er.
»Wohin gehst du?«
»Etwas sammeln«, antwortete er.
»Um diese Stunde? Und was? Willst du noch mehr Kartoffeln stehlen?«
»Vielleicht. Oder ich versuche, eine bessere Unterkunft für uns zu finden. Ich sollte nichts mehr sagen.« Vendevorex schüttelte den Kopf. »Ich möchte keine falsche Hoffnung wecken.«
»Ven, ich brauche Hoffnung, ob sie falsch ist oder nicht«, sagte Jandra. »Noch ein Tag hier in dieser Hütte, und ich werde verrückt. Wir können hier nicht einfach abwarten, während Albekizan die gesamte Menschheit tötet.«
»Dann kann ich dir echte Hoffnung geben«, sagte Vendevorex. »Das Töten muss erst noch beginnen, meinen Quellen zufolge. Albekizan hat erst einmal aufgehört, nachdem er die Arbeiter im Palast getötet hat. Es ist kein weiterer Befehl ergangen, die Menschheit im Königreich insgesamt zu töten. Vielleicht hat seine Wut nachgelassen. Ich vermute aber eher, dass er sich lediglich die Zeit nimmt, an einer kühneren Strategie zu arbeiten. Wenn das Treffen heute Nacht erfolgreich ist, werden wir möglicherweise schon bald in einer besseren Position sein, um Informationen zu erhalten.«
»Treffen?«, fragte Jandra. »Wen triffst du? Ich möchte mitkommen.«
»Das wäre unklug«, erwiderte Vendevorex. »Und schon wieder habe ich zu viel gesagt.«
»Ven, du hättest es nicht gesagt, wenn du es mir nicht hättest sagen wollen. Jetzt ist es ausgesprochen. Was ist los?«
Vendevorex bewegte sich zum Fenster der Hütte und blickte über das Tal. Einen Augenblick musterte er die Szenerie gedankenverloren.
»Also schön«, sagte er. »Wie du weißt, hatte Tanthia einen Bruder, der von Albekizans Bruder Blasphet getötet worden ist. Sein Name war Terranax; seine Frau heißt Chakthalla. Sie wohnt in einer Burg etwa fünfzig Meilen entfernt von hier. Sie bearbeitet dieses Land für Albekizan und hat gute Beziehungen. Aber wichtiger ist, dass sie eine Zuneigung zu Menschen hat.«
»Sie behandelt sie wie Schaustücke, meinst du«, sagte Jandra. »Ich kenne ihren Ruf. Sie kauft und verkauft Menschen abhängig von ihrer Abstammung.«
»Genau«, sagte Vendevorex, der zufrieden zu sein schien, dass Jandra diesen Punkt verstanden hatte. »Wie du siehst, hat sie ein wirtschaftliches Interesse, Albekizan einen Strich durch die Rechnung zu machen. Darüber hinaus hat sie, sofern das stimmt, was ich erfahren habe, und Blasphet tatsächlich in diese schmutzige Angelegenheit verwickelt ist, einen emotionalen Grund, den Plan aufzuhalten. Sie ist unsere beste Hoffnung.«
»Schön«, sagte Jandra. Sie hatte wenig Symphatie für Sonnendrachen, die Menschen wie Hunde züchteten und zur Schau stellten – vielleicht, weil sie in deren Augen selbst nur ein Köter war. Als Findelkind war sie nicht von einer edlen Abstammung, derer sie sich hätte rühmen können. Aber Köter oder nicht, sie war bereit, ihren Stolz beiseitezuschieben, wenn das bedeutete, Zugang zu einem richtigen
Bett zu bekommen und etwas anderes zu essen zu erhalten als Eichhörncheneintopf.
»Ich unterhalte seit langem ein Netzwerk aus vertrauenswürdigen Kontakten«, sprach Vendevorex weiter. »Es gibt einen
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