Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
das Gelände. Zwei davon fielen über die Stelle, an der Vendevorex’ Doppelgänger stand. Sie sanken harmlos auf den Boden, brachten die Illusion zum Flackern. Der Anführer wich zurück; er hatte die Augen weit aufgerissen, als hätte er begriffen, dass er vor einem Geist stand.
Leider war das dritte Netz schlecht geworfen. Jandra sprang rasch zur Seite, als es auf sie zuflog.
Unglückseligerweise reagierte Vendevorex nicht so schnell. Das Netz berührte den Kreis der Unsichtbarkeit, wickelte sich dann um ihren Mentor. Vendevorex gab einen unterdrückten Fluch von sich, als seine Konzentration nachließ und er sichtbar wurde.
»Bei den Gebeinen!«, rief der Fetzenflügel jenseits des Flusses, als Vendevorex’ Doppelgänger verschwand. »Was passiert da?«
»Es ist der Zauberer des Königs!«, rief der Anführer. Seine Stimme klang panisch, und seine Augen hefteten sich auf die Gestalt des Zauberers unter dem Netz. Er richtete seine abgenutzte Klinge auf Vendevorex und rief: »Er ist zu gefährlich! Wir können ihn nicht als Geisel halten! Tötet ihn!«
Der nächste Fetzenflügel bewegte sich rasch auf ihn zu, den Speer in Höhe von Vendevorex’ Herz haltend. Unsichtbar versperrte Jandra ihm den Weg und brachte ihn zum Stolpern. Das löste ihre Unsichtbarkeit auf; sie setzte darauf, dass es einen Augenblick der Überraschung geben würde, in dem sie erneut verschwinden konnte. Unglücklicherweise fiel der Fetzenflügel auf sie. Sie bemühte sich,
von ihm wegzukommen. Sie rollte sich auf den Rücken und sah einen zweiten Fetzenflügel mit einem Speer auf sich zukommen.
Bevor der Drache sie erreichen konnte, erklang ein lautes Zischen, als würde Speck in einer Pfanne braten, das sogar das Brüllen des Flusses übertönte. Das Netz, das Vendevorex bedeckte, loderte in einem versengenden Blitz und löste sich auf. Sämtliche Fetzenflügel hoben reflexhaft die Krallen, um ihre Augen zu bedecken.
Vendevorex richtete seinen linken Flügel auf den Drachen mit dem Speer, der Jandra angegriffen hatte. Der Drache schrie vor Entsetzen auf, als sein Speer zu Asche zerbröselte und einen großen Teil des Fleisches seiner Klauen mitnahm.
»Ihr tötet meine Verbündeten?«, fragte Vendevorex mit vor Wut zitternder Stimme. »Ihr droht mir und meiner Kameradin, greift uns mit Seilen und spitzen Stöcken an? Narren!«
Vendevorex zog die Schultern zurück, schien an Größe um das Doppelte zuzunehmen. »Ich bin Vendevorex! Ich beherrsche die Bausteine der Materie selbst! Wisset, dass eure Taten meine Gerechtigkeit auf euch niederrufen!«
Weiße Flammenkugeln umhüllten die Spitzen beider Flügel. Vendevorex machte einen Satz, so dass die Flamme die Schnauze des Drachen bei Jandra berührte, der immer noch auf seine verletzten Klauen starrte. Schreie hallten über die Berge, als Vendevorex den plötzlich erschlafften Körper des Drachen wegstieß. Der Fetzenflügel fiel auf den Stein, und sein Gesicht zerkochte zu rosafarbenem Nebel, so dass sein Schädel bloßgelegt wurde.
Jandra trat den Drachen von sich weg, der auf sie gefallen war, während Vendevorex die Flamme in das Rückgrat des Himmelsdrachen lenkte. Dieser hatte nicht einmal Zeit zu schreien, ehe er starb.
Jandra kämpfte sich auf die Beine. Als sie stand, fand sie sich Vendevorex gegenüber, der mit fester Stimme sagte: »Niemand darf entkommen.«
Jandra verstand. Ein einziger Überlebender konnte dem König berichten, wo sie sich aufhielten. Und wer wusste, was Simonex ihnen über Chakthalla gesagt hatte? Während Vendevorex sich dem Anführer zuwandte, packte Jandra den heruntergefallenen Speer des Drachen, den sie zum Stolpern gebracht hatte. Sie richtete ihren Blick auf den Fetzenflügel auf der anderen Seite des Flusses, der sich umdrehte und weglaufen wollte. Das Glück war auf ihrer Seite; er stolperte über eine Wurzel und kam hart auf dem Boden auf.
Jandra hatte noch nie zuvor jemanden getötet. Sie hatte noch nie einen Speer getragen. Aber es gab Momente im Leben, da entdeckte man, dass die ursprünglichsten Handlungen förmlich in die Muskeln eingepflanzt waren. Sie sprang zum Fluss, hielt den Speer mit beiden Händen dicht an ihrem Körper. Mit ihrem ganzen Gewicht trieb sie den Schaft in den Rücken des gefallenen Fetzenflügels, spürte das Rutschen und Zerren, als die Steinspitze sich durch Schuppen, Muskeln und Knorpel bis zu dem Boden dahinter bahnte.
Der Fetzenflügel zuckte und keuchte, seine Klauen scharrten über die Erde. Noch immer
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