Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Schaden angerichtet hätte oder nicht. Er blickte zu dem Fluss in der Ferne, sehnte sich danach, in sein kühles Wasser eintauchen zu können. Eine Staubwolke erregte seine Aufmerksamkeit; jemand kam die nördliche Straße entlang.
Bant blinzelte, beschattete die Augen mit der Hand gegen das grelle Sonnenlicht. Drei riesige graue Echsen – abgesehen von den rostroten Schuppen an ihren Kehlen und Bäuchen – bewegten sich über die ungepflasterte Straße. Sie waren größer als Pferde.
Als die Echsen näher kamen, konnte Bant die Reiter erkennen, die in den hohen Ledersätteln wie Menschen wirkten. Aber es waren keine Menschen; es waren Erddrachen. Ihre schuppige Haut hatte die Farbe von Moos. Ihre Köpfe waren breit und saßen tief zwischen den Schultern, die dunklen Augen lagen weit auseinander. Ein blaugrüner Rand aus dornenbewachsenen Schuppen stand von ihren Hälsen ab.
Bant kletterte die Leiter hinunter, um die Drachen zu begrüßen, als sie auf den Dorfplatz geritten kamen. Er konnte sich nur vage an das letzte Mal erinnern, da Drachen in diesem Dorf aufgetaucht waren, mehr als ein Jahrzehnt zuvor. Damals hatten die Drachen ein Zehntel der jährlichen Ernte verlangt, und die älteren Dorfbewohner hatten, indem sie auf eine uralte Vereinbarung hinwiesen, zugestimmt. Das Dorf befand sich im Land der Drachen, und der Drachenkönig hatte das Recht, bis zu einem Viertel der Ernte zu beanspruchen. Die Älteren sagten, dass die Drachen
im Norden in Hülle und Fülle lebten, aber nur selten in den Süden kamen, um Steuern einzutreiben, kaum mehr als einmal in zwanzig Jahren.
Bant wünschte sich, dass einige der Älteren noch so lange gelebt hätten, um ihm jetzt einen Rat geben zu können. Wenn die Drachen ein Viertel der diesjährigen Ernte verlangten, würde es schwer werden. Es gab zu wenig Männer in Christtal. Nur Jungen seines Alters und noch jüngere Kinder hatten Hezekiahs Wirken unversehrt überstanden. Jetzt gab es nur ein Dutzend arbeitsfähiger Männer, die sich um die Ernte kümmern konnten, während für beinahe einhundert Personen gesorgt werden musste. Der Herr in seiner Gnade stellte immer genug zur Verfügung, aber es gab nur selten einen Überschuss.
Die drei Drachen erreichten das Zentrum des Dorfes. Sie stiegen ab und unterhielten sich in einer seltsamen Sprache, die voller Zischlaute war. Zwei trugen lange Speere mit Metallspitzen. Der dritte Drache, offensichtlich der Anführer, hatte eine Scheide am Gürtel, aus der der juwelenbesetzte Griff eines Schwertes ragte. Von den Fenstern ihrer Häuser aus sahen die Dorfbewohner zu, aber niemand näherte sich ihnen, so dass Bant allein mit den Besuchern war.
Der schwerttragende Drache hörte auf, sich mit seinen Kameraden zu besprechen. Er sah Bant an. »Ich bin Mekalov«, sagte er. »Bist du der Anführer dieser Stadt?«
Bant verstand Mekalov nur schlecht. Der harte, schnabelähnliche Mund der Kreatur blieb beim Sprechen unbeweglich; das Geräusch schien von irgendwo tief aus seiner Kehle zu kommen. Es half nicht, dass der Atem des
Drachen ihn zusätzlich ablenkte. Vielleicht spielte ihm die Hitze einen Streich, was seine Sehfähigkeit betraf, aber es schien, als würden üble, fischige Knoblauchfahnen in sichtbaren Wogen aus Mekalovs Mund strömen.
»Nun?«, hakte Mekalov nach. »Antworte!«
»Niemand führt uns an als der Herr selbst«, erklärte Bant.
»Dann bring mir diesen Herrn«, verlangte Mekalov.
»Er ist bereits hier«, sagte Bant.
»Wenn du der Herr bist, ruf deine Untertanen herbei. Es gibt Arbeit zu erledigen.«
Bant lächelte höflich. Er wusste, dass Mekalov ihn nicht verstand. Er fragte sich, was Hezekiah zu dem Versuch sagen würde, einem Drachen von Gott zu erzählen. Wäre es Zeitverschwendung? Dann schob er diese Glaubensfragen beiseite und stellte die Frage, die ihm wichtiger erschien. »Was für Arbeit?«
»In einer Woche werden Albekizans Steuereintreiber hier eintreffen. Bis dahin werdet ihr auf diesem Platz die Hälfte der diesjährigen Ernte und des gesamten Viehbestands dieses Dorfes zusammentragen.«
»Die Hälfte?«, fragte Bant. »Aber … aber die Vereinbarung lautet, dass es nicht mehr als ein Viertel sein wird.«
»Vielleicht habt ihr in eurem Dorf die gute Neuigkeit noch nicht gehört«, sagte Mekalov. »Albekizan feiert die wunderbare Geburt eines neuen Sohnes, Bodiel. Dies ist eine Feststeuer zu Ehren dieser Geburt.«
»Aber …«
»Muss ich dich daran erinnern, dass der Boden, auf dem du stehst,
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