Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Zuneigung. Sah er sie als seine Tochter? Seine Schülerin? Oder lediglich als sein Schätzchen?
»Habt Ihr irgendeine Nachricht von Euren Freunden erhalten, Chakthalla?«, fragte Vendevorex.
»Bisher noch nicht. Habt Geduld. Es sind heikle Angelegenheiten, die wir da verfolgen.«
»Natürlich«, sagte Vendevorex.
»Ich bin sicher, dass sich die Dinge zu unseren Gunsten entwickeln«, erklärte Chakthalla. »Albekizan hat sich im Laufe der Jahre viele Feinde gemacht. Wenn das, was Ihr sagt, stimmt und Albekizan vorhat, sämtliche Menschen zu töten, werden wir keinen Mangel an Verbündeten haben. Den Dorfpöbel etwas auszudünnen ist eine Sache, aber es gibt viele, die ihren Lieblingen starke Gefühle entgegenbringen, so wie ich meinem Pet. Ihr versteht natürlich die Verbindung zwischen einem Drachen und seinem besten Freund.«
»Ja, das tue ich«, erwiderte Vendevorex.
»Meine Boten werden Euren Namen bei ihren Untersuchungen erwähnen«, sagte Chakthalla. Stolz schwang in ihrer Stimme mit. »Vendevorex ist ein Name, der ein großes Gewicht mit sich trägt.«
»Und auch eine große Bürde. Ich bin sicher, dass Ihr extreme Vorsicht walten lasst, wenn Ihr meinen Namen aussprecht. Wenn Albekizan erfährt, dass ich hier bin, wird Euer Leben in Gefahr sein, und unsere Pläne werden scheitern.«
»Ich versichere Euch, ich weiß, wem ich trauen kann«, sagte Chakthalla.
Als Jandra ihren Blick von Chakthalla abwandte, stellte sie fest, dass Pet seinen geradewegs auf sie geheftet hatte. Sie sah auf ihren Teller und rührte mit der Gabel die gewürzten Kartoffeln um. Sie hatte wenig Erfahrung im Umgang mit Menschenmännern, aber sie hatte durchaus eine Vermutung, was sein nachdrückliches Starren bedeutete. Viele Drachen, die sich Menschen als Schätzchen hielten,
benutzten diese zu Zuchtzwecken. Pet war gewiss ein Vollblut, und Jandra war erleichtert, dass sie keinen Stammbaum besaß. Es wäre nicht gut, Chakthalla auf gewisse Ideen zu bringen, zumal sie nicht sicher war, was Vendevorex von einem solchen Vorschlag halten würde.
Nach dem Essen ging Vendevorex gedankenverloren durch die Hallen von Chakthallas Palast. Jandra folgte ihm dicht auf den Fersen, aber er bemerkte sie kaum. Er dachte an die festen Steinwände von Albekizans Wohnsitz. Das Zuhause des Königs war zur Verteidigung gedacht, besaß hohe Wände mit Schlitzen als Fenster und Wachtürme, die in alle Richtungen zeigten. Chakthallas Heim dagegen war sehr viel geräumiger und offener. Die eleganten Decken waren mit Holzbögen versehen, die unter dem ersten Ansturm von Katapulten zusammenbrechen würden. Riesige, dekorative Fenster mit gefärbtem Glas säumten die oberen Hälften der Wände. Wenn es Krieg geben sollte, würde das Glas wie tödlicher Regen herunterfallen. Chakthallas Zuhause war der Schönheit wegen erbaut worden, nicht für die Schlacht.
»Wie lange müssen wir hierbleiben, Ven?«, fragte Jandra.
Vendevorex’ Stirn zog sich bei der Frage zusammen. Er sah sie an. »Wochenlang hast du nur deine Ungeduld über die langsame Entwicklung der Verhandlungen zum Ausdruck gebracht, die uns hierhergeführt haben. Sag mir jetzt nicht, dass du es eilig hast, wieder aufzubrechen.«
»Das tue ich auch nicht«, erwiderte sie. »Aber es ist beinahe zwei Monate her, seit Albekizan sich entschieden hat, die Rasse der Menschen auszulöschen. Ich möchte unsere Probleme direkt angehen und irgendetwas tun.«
»Die Taten und die Probleme werden uns finden. Es ist dumm, sie einzuladen, bevor ihre Zeit gekommen ist.«
»Du hast mir das Kämpfen beigebracht«, sagte Jandra. Ihr Kiefer spannte sich an, und sie versuchte so grimmig zu wirken, wie es ihre fünf Fuß hohe, schlanke Gestalt ermöglichte. »Ich bin es leid, herumzusitzen und dem Briefeschreiben und Spionieren zusehen zu müssen.«
»Die Geschichte der Welt wird ebenso durch den Austausch von Briefen geformt wie durch das Führen von Kriegen«, sagte Vendevorex.
»Aber es wird Krieg geben, oder nicht? Jemand muss sich Albekizan entgegenstellen.«
Vendevorex antwortete nicht sofort, sondern dachte über ihre Worte nach. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass es Jandra nach Krieg dürstete. Er vermutete, dass sie einen anderen Grund hatte, weshalb sie wissen wollte, wie lange sie bleiben würden.
»Du hast heute beim Essen gewirkt, als würdest du dich unbehaglich fühlen«, sagte er.
Jandra zuckte mit den Schultern. »Etwas an diesem Ort beunruhigt mich.«
Vendevorex nickte. »Ich
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