Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
die Haut eines Drachen zu berühren; sie stellte sie sich weich und glatt vor, ähnlich wie Schlangenhaut. Sie hatte einmal geträumt, dass sie ein Drache war, der auf einer Burgmauer hockte und über das Tal blickte.
Jetzt endlich würde sie sich ins Innere der Burgmauern begeben. Es war der einzige Ort, den sie sich als Versteck für Ferkelchen vorstellen konnte, ohne dass ihr Vater ihr folgen würde. Sie war nicht sicher, was Drachen aßen – Pferde vielleicht –, aber sie wusste zweifellos, was ihr Vater aß, und von dem Augenblick an, da sie Ferkelchen gesehen hatte, wusste sie, dass sie das nicht geschehen lassen durfte.
Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als sie das kleine Dorf erreichte, das außerhalb der Burgmauern lag. Der Vollmond beherrschte den Himmel, durchbohrt von der dunklen Silhouette des höchsten Turmes der Burg. Zeekys Aufregung darüber, dass sie der Burg so nahe war, wurde von ihrer Erschöpfung etwas gedämpft. Ferkelchen schnarchte leise in ihren Armen, und sie fühlte sich ziemlich danach, sich einfach auf den Boden zu legen und zu schlafen.
Aber das wäre dumm. Die Dorfbewohner würden sie finden und zu ihrem Vater zurückbringen, und was würde dann mit Ferkelchen geschehen? Nein, sie würde irgendwo ein Dach über dem Kopf finden müssen. Glücklicherweise konnte sie die schwachen Schemen eines Hofes gegenüber von ein paar nahen Feldern ausmachen. Sie schlüpfte durch einen Holzzaun und arbeitete sich zur Scheune vor. Ein Hund bellte wütend – ein Geräusch, das rasch näher kam. Ein großer Hund tauchte aus der Dunkelheit auf.
»Schschsch«, flüsterte Zeeky und legte einen Finger an die Lippen. »Du weckst ja alle auf.«
Der Hund hörte auf zu bellen und kam näher zu ihr. Er schnüffelte. Zeeky streichelte den alten Hund hinter den Ohren.
»Guter Junge«, sagte sie. Sie war immer besser mit Tieren als mit Menschen zurechtgekommen. Tiere hörten ihr zu. Menschen sagten ihr etwas.
Der Hund begleitete sie zur Scheune. Auf dem Boden vor der Tür fand sie einen Fetzen blutigen Fells.
»Armes Ding«, flüsterte sie, denn sie vermutete, dass der Hund zuvor ein Kaninchen getötet hatte. Der Hund nahm
seine Mahlzeit auf und trottete mit ihr in Richtung Bauernhaus davon.
Sie schlüpfte in die Scheune, wo sie erst einmal abwartete, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das Mondlicht draußen war verglichen mit der düsteren Scheune fast wie Tageslicht. Sie ging vorsichtig weiter, tastete mit einer Hand, bis sie schließlich die Leiter fand, die hinauf zum Heuboden führte. Sie kletterte langsam hoch. Ferkelchen war jetzt wach, und sie wollte ihn nicht von der Leiter fallen lassen, wenn er anfangen sollte, sich zu winden.
Als ihr Kopf sich über den Boden schob, stieß ein Arm aus der Dunkelheit zu ihr herunter und packte sie am Kragen. Sie schrie, aber der Schrei wurde durch eine große, raue Hand gedämpft, die sich über ihren Mund legte. Sie packte Ferkelchen mit beiden Armen, als ihr Angreifer sie das letzte Stück hinauf zum Heuboden zog.
»Hör auf zu zappeln«, sagte eine tiefe, ernste Stimme. »Ich lasse deinen Mund los, damit du ein paar Fragen beantworten kannst. Ich werde dir nicht wehtun, also hör auf zu schreien, ja?«
Zeeky nickte. Die Hand des Mannes verschwand von ihrem Mund. Er hielt sie nach wie vor am Kragen fest, so dass sie sich nicht umdrehen und ihn ansehen konnte.
»Hast du heute gut gegessen?«, fragte er. »Ich rieche gebratenes Hähnchen beim Haus. Kannst du mir davon was bringen?«
Zeeky wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Komm schon, antworte. Du brauchst keine Angst zu haben. «
»Ich … ich hatte heute Abend nichts zu essen.«
»Nicht?«, fragte der Mann. Er klang neugierig. »Wieso nicht? Bist du bestraft worden oder so was?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Was hast du getan?«
»Ich habe nichts getan. Ich habe nichts gegessen, weil ich nicht hier lebe.«
»Was machst du dann in dieser Scheune?«
»Was machst du hier?«, fragte Zeeky zurück.
»Ich versuche, etwas Schlaf zu bekommen, ohne dass irgendein neugieriges Kind hereinplatzt.«
»Ich bin nicht neugierig. Ich wusste nicht, dass du hier bist. Ich habe nur nach einem Platz gesucht, an dem ich die Nacht verbringen kann.«
»Bist du weggelaufen?«
»Nein, ich bin … ich bin eine Waise.«
»Oh«, sagte der Mann. »Nun, ich auch. Ich vermute, dann hast du genauso viel Recht, hier die Nacht zu verbringen, wie ich.«
Der Mann ließ ihren Kragen los,
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