Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
gegangen, habe mein Glück jenseits der Grenzen gesucht. Es war der Beginn einer Reise, die jetzt ziemlich schwierig zu erklären ist.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Jandra. »Eine ganze Welt jenseits der Berge? Wieso hast du mir nie davon erzählt? «
»Es schien mir nicht wichtig zu sein. Und ich hatte gute Gründe, nicht über mein Heimatland zu sprechen. Aber jetzt, scheint es, habe ich sogar noch mehr Gründe, dorthin zurückzukehren.«
»Dorthin zurückzukehren?«
Vendevorex nickte. »Bis heute Nacht hatte ich mich noch nicht entschieden, was der beste Weg sein würde. Ich hatte mich an die Hoffnung geklammert, dass es möglich wäre, gegen Albekizan zu kämpfen. Jetzt allerdings, nach der Beratung mit Chakthalla, erweist sich dies als töricht. Unsere größte Hoffnung befindet sich auf der anderen Seite der Berge.«
»Die größte Hoffnung, Albekizan aufzuhalten? Glaubst du, wir könnten dort Verbündete finden? Deine Familie vielleicht?«
Vendevorex schüttelte den Kopf. »Wir müssen jetzt an uns selbst denken. Wenn wir hierbleiben, werden wir unser Leben für eine verlorene Sache geben.«
»Aber wenn wir weglaufen, wer wird dann für die Menschen kämpfen?«, fragte Jandra. Ihre Stimme wurde lauter.
Vendevorex erkannte, dass ihre Gefühle sich wieder rührten. Er versuchte, sie mit Vernunft zu beruhigen. »Die Menschen müssen selbst für sich kämpfen. Wenn sie sich verbünden, können sie erfolgreich sein. Ein Zermürbungskrieg könnte wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zu ihren Gunsten entschieden werden. Am Ende könnten die Menschen durch ihre Fortpflanzung gewinnen.«
Jandra wurde blass. Vendevorex versuchte, ihre Augen zu deuten. War sie durch seine Worte beruhigt? Nein, da bildeten sich Tränen. Er hatte sie enttäuscht, nicht beruhigt. Er seufzte. Wieso musste sie die Dinge nur immer so viel schwieriger machen?
»Kümmern dich die unzähligen Millionen denn gar nicht, die sterben werden?«, fragte sie leise.
»Jandra, du bist zu jung, um das zu verstehen«, sagte er mit fester Stimme und hoffte, dieses Gespräch beenden zu können. »Ich bin nicht herzlos. Ich habe all meine Macht und mein Prestige aufgegeben. Ich werde Albekizan nicht bei diesem Völkermord helfen. Aber ich werde auch nicht mein Leben für eine verlorene Sache aufs Spiel setzen.«
»Du bist nicht bereit, für die Menschen zu sterben.«
»Es ist nicht so …«
»Bist du auch nicht bereit, für mich zu sterben?«
»Lege mir keine Worte in den Mund. Ich habe dich jetzt viele Jahre großgezogen. Du bedeutest mir sehr viel.«
»Ich bedeute dir sehr viel … ist das alles?«, fragte Jandra mit zitternder Stimme. »Dann ist es also wahr. Ich bin nichts weiter als ein Schätzchen für dich.«
Diese Worte hatte Vendevorex nicht erwartet. »Was?«
»Ich bin nicht blind oder taub. Chakthalla tut so, als wäre ich dein Schätzchen, und du sagst nichts, um sie davon abzubringen. «
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist nichts als Höflichkeit, der Versuch, nicht die Gefühle unserer Gastgeberin zu verletzen.«
»Aber du denkst nicht daran, dass du meine Gefühle verletzen könntest, oder?«, fragte Jandra zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
»Ich gestehe«, sagte Vendevorex, der allmählich immer verzweifelter wurde, »dass ich häufig Schwierigkeiten habe, die Logik deiner Gefühle zu verstehen.«
Jandra atmete geräuschvoll ein, und sie wirkte, als würde sie jeden Augenblick zu schreien beginnen. Dann drehte sie sich um und ging mit geballten Fäusten davon. Vendevorex
hoffte, dass sie ihre Wut durch die Bewegung loswerden würde. Er fühlte sich ziemlich erleichtert, dass diese Auseinandersetzung vorüber war. Er würde ihr die Dinge erklären, sobald die Umstände etwas günstiger waren.
Zeeky sah, wie sich die Burg vor dem Sonnenuntergang abzeichnete. Sie war nur ein einziges Mal so nah an sie herangekommen, im Jahr zuvor, als ihr Vater Essen zum nächsten Dorf gebracht hatte. Er hatte ihr erklärt, dass die Burg einem Drachen gehörte und dass Zeeky sich diesem Ort niemals nähern sollte. Zeeky hatte sich sehr danach gesehnt, sie sich anzusehen.
Die Burg war hübsch. Wenn es am Morgen neblig war, schien es, als würden die anmutigen Türme über den Himmel schweben. Sie sah oft Drachen während ihres Fluges, wenn ihre Schatten über sie hinweghuschten. Einige ihrer Freunde hatten Angst vor den Schatten. Sie war immer fasziniert. Sie wünschte sich nichts so sehr auf der Welt, wie
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