Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
dem schweren Speer seiner ehemaligen Herrin angriff. Der Drache drehte sich im letzten Moment weg, duckte sich unter der Spitze hindurch und stieß den Schaft beiseite. Pet verlor den Speer aus den Händen und stolperte nach vorn. Der Schwung schickte ihn auf Gadreel zu, der sein Schwert zum Schlag erhob.
»Nein!«, rief Jandra und sprang auf Gadreels Rücken, stieß mit aller Kraft mit dem eigenen Schwert zu. Die Klinge bohrte sich in den Flügel des Drachen, dicht bei der Stelle, wo er sich mit dem Rücken verband. Gadreel schrie vor Schmerz auf und brachte sein Schwert gegen Pet nach unten, aber er zielte schlecht. Die Klinge knallte mit der flachen Seite gegen Pets Kopf, was die Stahlklinge erzittern ließ. Es klang wie das Läuten einer Glocke. Pet verdrehte die Augen zur Decke, während er auf den Boden stürzte.
Jandra drängte nach vorn, führte das Schwert mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Drachen. Die Klinge stieß auf etwas Hartes und rutschte ab, riss dabei die Haut auf seinem Rücken auf. Sie prallte gegen Gadreel, verlor dabei das Schwert aus den nassen Händen.
Der Drache drehte sich um, packte Jandra am Arm und grub seine Klauen tief in ihre Muskeln. Er wirbelte sie herum und ließ sie dann los. Sie knallte gegen den Thron und stürzte dann über Chakthalla. Die Welt drehte sich vor ihren Augen, als sie aufsah. Zanzeroth zerrte bösartig an
Vendevorex’ Bauch. Pet lag hilflos auf dem Rücken; er war bewusstlos. Gadreel näherte sich ihr; er hielt das Schwert zum Schlag bereit. Aber er bewegte sich vorsichtig, und seine Augen beobachteten sie argwöhnisch.
Es war niemand da, der ihr helfen konnte. Ihr Kopf pochte und machte es ihr unmöglich, sich genügend zu konzentrieren, um unsichtbar zu werden. Sie fragte sich kurz, wo Chakthallas Wachen waren. Sicherlich lebten einige noch; es könnte eine Rettung im letzten Augenblick geben.
Als ob ihr Wunsch es hervorgerufen hätte, drängten vier Erddrachen durch die Tür in den Thronsaal. Ihre Speere waren zum Angriff erhoben. Diese Drachen waren nicht in die schönen Uniformen gekleidet, die Chakthalla ihren Wachen zugedacht hatte. Sie mussten von dem Schlachtenlärm geweckt worden sein und eilten jetzt in ihrem halbnackten, wilden Zustand in den Kampf. Hoffnung rührte sich in Jandra, als sie in die blutrünstigen Augen sah.
»Herr?«, fragte einer von ihnen.
»Hier ist alles unter Kontrolle«, antwortete Zanzeroth. Er ließ die Kehle des Zauberers los. Vendevorex sackte leblos zu Boden.
Jandras Herz verkrampfte sich. Die Drachen waren Soldaten des Königs.
Da Vendevorex tot war, wusste sie nicht, wie sie weiterleben sollte. Sie sah, wie Zanzeroth einen von Vendevorex’ Flügeln hob, der so schlaff war wie ein Stück Stoff, und mit ihm das Blut von seinem Messer wischte.
Jandra konnte nicht den Willen aufbringen, ihre Arme zur Verteidigung zu erheben, als Gadreel vorsichtig zu ihr stapfte. Sie blickte in seine goldenen Augen und fand keinerlei
Hinweis auf Barmherzigkeit. Hinter Gadreel sah sie eines der bemalten Glasfenster, die sich über die obere Hälfte des Raumes zogen. Der Ausschnitt, den sie sah, bildete einen Drachen ab, der gegen eine kleine Gruppe von Menschen kämpfte. Überall um die große Bestie herum lagen die zerfetzten Leichen von Menschen. Ein einsamer Überlebender kniete vor dem Drachen und flehte mit erhobenen Armen um sein Leben. Der Blick der gläsernen Drachenaugen sowie gähnende Kiefer über dem Kopf des Mannes verrieten jedoch, dass es keine Gnade geben würde.
Ein Schatten tauchte hinter dem Glas auf und verdunkelte die Szene. Er hatte beinahe die Gestalt eines Menschen. In dem Moment, als Gadreel sich zum Schlag bereitmachte, zerbrach das Fenster.
Gadreel warf einen Blick über die Schulter. Zanzeroth sah bei dem Lärm auf. Bunte Scherben fielen wie ein zerbrochener Regenbogen zu Boden. Ein in einen Umhang gehüllter Mann stand im Fenster; seine dunkle Gestalt hob sich von den Flammen auf der Burgmauer ab.
»Du!«, rief Zanzeroth.
Die Gestalt schob den Umhang beiseite und hob einen Bogen, als die Soldaten ihre Speere bereitmachten. Ein Pfeil zischte durch die Luft, hinterließ dabei einen roten Streifen. Der Erddrache, der am nächsten stand, stürzte; ein Pfeil ragte aus seinem rechten Auge. Bevor er auf dem Boden aufschlug, bohrte sich ein zweiter Pfeil in das Herz eines anderen Drachen. Mit einer Geschwindigkeit, der Jandra kaum mit den Blicken folgen konnte, legte der Mann einen vierten Pfeil an die Sehne,
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