Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
sterben«, fauchte der Schwarze Schweiger. Jandra hörte, wie eine Klinge aus der Scheide glitt. Es klang sehr weit weg, weit jenseits ihres Herzschlags, der in ihren Ohren hämmerte. Sie presste sich die Kehle mit einer Hand zu. Luft stieg aus der Wunde unter ihren blutverschmierten Fingern auf, als sie hustete.
Sie versuchte, sich zu konzentrieren. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass sie den Staub an ihren Fingern nutzte, um das Fleisch ihrer eigenen Kehle neu zu gestalten und so die Wunde zu verschließen. Aber ihr Geist war eingesperrt, war erstarrt.
Das Gewicht auf ihrer Wirbelsäule verlagerte sich, als der Schwarze Schweiger ihren Kopf weiter zurückbog. Das Blut schoss noch heftiger zwischen ihren Fingern hervor. Sie blinzelte hoch und sah die Spitze eines Dolches über sich. Wenn er sich herabsenkte, würde er sich in ihren Nacken bohren. Sie schloss die Augen, rechnete mit dem entscheidenden Schlag.
Drei Herzschläge später fuhr der Dolch immer noch
nicht auf sie herab. Ein Regen aus feinen Partikeln schwebte auf ihr Gesicht. Plötzlich erschlaffte die Klaue, die an ihren Haaren zog, und ihr Gesicht knallte auf den Marmorboden. Sie öffnete die Augen, als vor ihr das Heft einer Waffe über den Boden schlitterte; die Klinge selbst war nur noch zerbröselnder Rost. Feine rote Flocken trieben weiter zum Boden. Das Gewicht auf ihrem Rücken verschwand, als der Schwarze Schweiger ein gequältes Keuchen von sich gab.
Der Attentäter röchelte, dann schrie er. Der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft.
Hände berührten ihre Schultern – die Hände eines Mannes – und rollten sie herum, bis ihr Kopf in seinem Schoß lag. Sie blickte auf und starrte in das besorgte Gesicht von Pet.
»Es wird alles gut werden«, sagte er und legte seine Finger an ihre Kehle, schob das verletzte Fleisch zusammen. »Ven sagt, du musst ruhig bleiben und dass er dir helfen wird.«
Sie schnappte nach Luft und bekam Blut in die Lunge … aber auch Luft. Wie schlimm war sie verletzt? Wo war Ven? Der Raum drehte sich langsam. Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, aber sie fand ihn nicht. Von irgendwoher vor ihr kamen die Schreie des Attentäters. Niemand war in der Halle zu sehen, außer ihr selbst und Pet. Dann bemerkte sie den Rauch in der Luft, wie er am unteren Rand in einem beinahe vollkommenen Bogen abgeschnitten war. Die Stimme des Attentäters rasselte und erstarb.
Rumpf und Kopf des Erddrachen erschienen plötzlich,
als er auf den Boden sackte. Das verkohlte Fleisch seines Gesichts bröckelte in den Konturen einer dreifingrigen Hand ab und enthüllte den Schädel darunter. Ohne Vorwarnung tauchten die Beine des Drachen auf, und auch Vendevorex, der zu Füßen des getöteten Attentäters stand. Rauch erhob sich von den Vorderklauen des jetzt sichtbaren Zauberers, und seine Augen zogen sich zu einem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit zusammen.
Er hockte sich neben Pet. »Lass mich sehen.«
Pet nahm die Hände von Jandras Kehle. Vendevorex’ Klauen berührten sie und untersuchten die Wunde. Sie bog den Rücken durch vor Schmerz, als seine Nägel sich in ihre Haut drückten.
»Kämpf nicht dagegen an«, sagte er. »Ich verschließe deine Luftröhre wieder. Die Wunde hat die Halsschlagader nicht erreicht. In fünf Minuten wird das hier nur noch eine böse Erinnerung sein.«
Jandra nickte. In diesem Augenblick genoss sie Vendevorex’ kühle, gefühllose Stimme. Er sah ihre Wunde als etwas an, das in Ordnung gebracht werden musste. Sofern er ob dieser Aufgabe verängstigt oder beunruhigt war, ließ er es sich nicht anmerken.
Er arbeitete einige Zeit schweigend vor sich hin. Die fernen Geräusche der Schlacht wurden lauter, aber Vendevorex ließ sich nicht ablenken. Pet streichelte weiter Jandras Kopf in seinem Schoß und hielt ihre Hand. Ihre Blicke trafen sich, und in seinem Gesicht fand sie all die Gefühle, die sie bei Ven vermisst hatte … all die Besorgnis, aber auch die Hoffnung.
Jandra stellte plötzlich fest, dass ihre Atemzüge leichter
geworden waren. Da war kein Blut mehr in ihrem Mund. Sie schluckte und bemerkte, dass es nicht wehtat.
»Vielleicht kannst du jetzt die Logik meiner Einstellung erkennen«, sagte Vendevorex, während er das restliche Blut von ihrer Kehle wischte. Es fühlte sich an, als würden seine Finger über glatte, unverletzte Haut streichen. »Chakthalla ist tot. Hierzubleiben beinhaltet die Möglichkeit der Niederlage ohne die leiseste Hoffnung auf Sieg.
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