Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
hat.«
»Sämtliche Soldaten werden gegen ihn marschieren«, sagte Kanst. »Er wird nicht entkommen.«
»Das wird er, wenn Eure Strategie aus bloßer Kraft besteht. « Zanzeroth spuckte erneut aus. Das Sprechen war mühsam, wenn bei jeder Bewegung der Zunge Blut den Mund füllte. »Bitterholz bewegt sich rascher als jeder Mensch, den ich bisher erlebt habe. Er ist außerdem durch keinerlei unserer Ideen wie Ehre oder Stolz gebunden. Er schlägt aus den Schatten zu. Das ist feige, ja, aber sehr wirkungsvoll. Chakthallas Burg ist ein Gewirr aus Flammen und Rauch. Schickt Eure Soldaten da rein, und er wird sie nach Belieben töten.«
Kanst nickte und blickte ihn bestürzt an. »Ich vertraue Eurem Urteil. Dennoch sehe ich keine andere Möglichkeit, als diesen Befehl zu geben. Albekizan wird meinen Kopf verlangen, wenn ich es nicht tue.«
»Albekizan kann verrotten«, sagte Zanzeroth. »Bitterholz
ist meine Beute. Er hat einen schwerwiegenden Fehler gemacht, indem er sich heute hier gezeigt hat.«
Kanst betrachtete Zanzeroths Verletzung, dann schüttelte er den Kopf. »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr wieder da reingeht. Ihr seid nicht in der Verfassung, um zu jagen.«
»Ein Jäger, der nur die Kunst beherrscht, sich an die Beute heranzupirschen, wird verhungern«, erwiderte Zanzeroth. »Es gibt Zeiten, da ist eine Falle das geeignetere Mittel. Tut, was ich Euch sage, und wir werden den sogenannten Geist bei Morgenanbruch gefangen genommen haben.«
Jandra musterte die dunklen Augen von Bitterholz und suchte nach irgendeinem Hinweis auf Barmherzigkeit. Sie fand keinen.
»Auch wenn du eine Hexe bist, kannst du das hier nicht aufhalten«, sagte Bitterholz und starrte auf die Flammen um ihre Finger. Er hob seinen Bogen und legte einen Pfeil an die Sehne.
Jandra wollte schon einwenden, dass sie keine Hexe war, aber dann begriff sie die Vorteile, die darin lagen, dass er sie für eine hielt. Sie stellte sich der Schusslinie seines Pfeils in den Weg, um Vendevorex abzuschirmen. »Bevor Ihr ihn töten könnt, werdet Ihr erst mich töten müssen. Mit meinem sterbenden Atem werde ich einen Fluch auf Euch herabbeschwören, der so mächtig ist, dass noch Eure Ururenkel den Tag bedauern werden, an dem Ihr mir begegnet seid.«
»Die Hexen sollst du nicht leben lassen. Exodus 22:18«, sagte Bitterholz.
Jandra hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Bitterholz starrte sie an, sein Gesicht verriet keinerlei Gefühl. Jandra rechnete damit, dass er den Pfeil jeden Augenblick abschießen würde. Aber die Augenblicke zogen vorbei, jeder einzelne stundenlang, und schließlich ließ er den Bogen sinken.
»Hexe oder nicht, ich habe noch nie auf eine Frau geschossen. Eine Menschenfrau, meine ich«, sagte er. »Dennoch, ich würde dich töten, um den Drachen zu töten, den du beschützt, wenn es nicht Verschwendung eines Pfeiles wäre.« Bitterholz blickte herablassend zu Vendevorex. »Sieh ihn dir an. Mit diesen Wunden wird er das Morgengrauen nicht erleben. Und wenn doch … du wirst dich mir nicht immer in den Weg stellen können.«
»Wieso wollt Ihr ihn töten?«, fragte Jandra und ließ die um ihre Finger wabernde Illusion verklingen. »Was hat er Euch getan?«
»Er ist ein Drache«, sagte Bitterholz und zuckte mit den Schultern. »Er atmet. Das ist Verbrechen genug, denke ich.«
»Er ist mehr als ein Drache! Er hat einen Namen – Vendevorex. Er hat ein langes Leben hinter sich, angefüllt mit Freuden und Kummer. Er verdient es ebenso sehr zu leben wie Ihr.«
Bitterholz sagte nichts.
»Noch vor wenigen Momenten dachte ich, ich hätte ihn für immer verloren«, erklärte sie. »Der Gedanke hätte mich fast getötet. Jetzt habe ich die Hoffnung, dass er leben wird. Es ist, als hätte ich mein eigenes Leben zurückerhalten. Vendevorex ist meine Familie und mein Freund. Ihr sagt, Ihr würdet Eure Hand nicht gegen mich erheben, aber
wenn Ihr ihn tötet, tötet Ihr auch mich. Ich liebe ihn mehr als irgendjemanden sonst auf der Welt.«
»Du … liebst ihn?«, fragte Bitterholz. Er klang vollkommen angewidert.
»Ja. Wie einen Vater. Ich habe meine richtige Familie nie kennen gelernt. Er hat mich aufgezogen, seit ich mich erinnern kann. Ich würde wahrscheinlich heute nicht leben, wenn er mich nicht aufgenommen hätte.«
Bitterholz runzelte die Stirn. Jandra suchte nach einem schwachen Hinweis auf Verständnis in seinen Augen.
»Ihr müsst doch wissen, wie es sich anfühlt, wenn man sich um jemanden sorgt«, sagte sie. »So
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