Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
gehalten, die dem Leben überlegen war. Das Leben war
lediglich eine momentane Widerstandstat, während der Tod der letztendliche Sieger war. Oh, aber was für eine Tat!
Bitterholz stand mit dem Schwert in der Hand vor ihm.
»Ich werde mich nicht beeilen«, sagte er.
Blasphet dachte an die dreizehn Pfeile, die man aus Bodiel gezogen hatte. Er rief sich die Leiche von Dacorn in Erinnerung, der mit herausgeschnittener Zunge in einem Baum eingeklemmt worden war. In einer letzten Hoffnung, sein eigenes Schicksal bestimmen zu können, vergrub Blasphet die vergifteten Krallen seiner rechten Vorderklaue in seinem Oberschenkel. Die tödliche Wirkung des Gifts erfolgte rasch.
Bitterholz zwang ihm den Mund auf. Blasphet spürte die Berührung einer Klinge an seiner Zunge. Er seufzte, als jeder Herzschlag ihn weiter wegbrachte, weiter und weiter einem Ort entgegen, zu dem nicht einmal Bitterholz ihm folgen konnte.
Jandra trat zur Seite, als Hex sich in aufrechte Position hievte. Der Langwyrm neben ihm rührte sich ebenfalls, aber da Adam nicht hier war, wusste sie nicht, wie sich Trisky verhalten würde. Jandra nahm das Stück Wandteppich, das sie abgerissen hatte, und legte es über den Langwyrm. Sie bedeckte den Stoff mit Silberstaub und brachte die Fasern dazu, sich neu zu verweben. Sekunden später hatte sie eine behelfsmäßige Zwangsjacke und einen Maulkorb für den Langwyrm hergestellt. Sie würde sich später bei Adam entschuldigen, wenn er etwas gegen diese Behandlung seines Reittieres einzuwenden hatte.
Hex streckte sich, um die Nachwirkungen des Gifts abzuschütteln. Er zuckte zusammen, als er sich den Kopf an der Decke stieß. Mit gesenktem Hals und weit geöffneten Augen sah er sich im Zimmer um. »Was hat mich getroffen?«
»Blasphet«, sagte Jandra. »Giftgas. Bitterholz ist auf der Suche nach ihm weggegangen.«
»Allein?«, fragte Hex.
»Ja«, sagte Jandra.
»Das ist dann wohl das Letzte, was wir von Bitterholz gesehen haben«, sagte Hex.
»Ich dachte, es würde das Letzte sein, das wir von Blasphet gesehen haben werden«, sagte Jandra.
»Bitterholz ist ein beeindruckender Krieger für einen Menschen«, sagte Hex. »Aber in Blasphet hat er einen ebenbürtigen Gegenspieler gefunden. Mein Onkel hat sich den Titel Mördergott nicht umsonst verdient.«
»Du klingst eigenartig stolz darauf«, sagte Jandra.
Hex zuckte mit den Schultern. »Stolz ist nicht das richtige Wort. Aber: Ja, ich respektiere ihn. Wie ich hat er den Wettbewerb der Nachfolge verloren. Aber er hat sich nicht wie ich von der Welt zurückgezogen. Stattdessen wurde er eine Gestalt, die sogar noch bekannter ist als mein Vater. Die Geschichte wird sich noch lange an ihn erinnern, auch wenn sie den Namen meines Vaters längst vergessen hat.«
Jandra störte der zuversichtliche Ton von Hex’ Stimme. Hatte sie einen Fehler begangen, als sie Bitterholz die Verfolgung von Blasphet ganz allein aufnehmen ließ? Andererseits, wie hätte sie ihn aufhalten können?
»Vielleicht sollten sie …«, begann sie und brach dann ab.
Etwas kam die Treppe hoch. Das Bimmeln erinnerte sie an Gabriels Flügel. Sie zog sich zurück, als ein metallisches Skelett in den Raum trat. Die stählernen Gebeine wurden von einer komplexen Anordnung von feucht aussehenden Taschen bewegt, die als Muskeln dienten. Die Maschine besaß goldene Flügel, wenngleich die Farbe durch eine Schicht Ruß etwas gedämpft war. Die Augen im Schädel lagen auf unangenehm menschliche Weise in lidlosen Höhlen.
»Keine Angst«, sagte das Skelett. Die Kiefer bewegten sich,
aber die Worte schienen von irgendwo anders aus seinem Brustkorb zu kommen. »Ich bin es, Gabriel. Der Kampf ist gewonnen. Die Sonnendrachen sind besiegt worden; die vergifteten Fackeln sind alle gelöscht. Die wiederbelebten Walküren durchsuchen jetzt das Nest nach überlebenden Attentätern.« Gabriel machte einen Schritt nach vorn auf den Regenbogen zu. Während er sich bewegte, gingen Jandra Erinnerungen durch den Kopf, die nicht ihre eigenen waren. Sie konnte sich daran erinnern, wie das künstliche Wesen erbaut worden war, und sie sah sein Gegenstück, den Propheten Hezekiah.
Die geliehene Erinnerung verband sich mit einer eigenen, als ihr einfiel, dass sie den Namen Jasmine Robertson schon einmal gehört hatte. Es war der Name gewesen, den Hezekiah erwähnt hatte, als er von Vendevorex befragt worden war.
»In der Freien Stadt habe ich gegen einen Mann namens Hezekiah gekämpft«, sagte sie. »Bist du
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