Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
hält. Ich aber bin Michelangelo! Ich bin Da Vinci! Du hast keine – «
Plötzlich ragte ein Pfeil aus Jazz’ linker Schläfe. Die leuchtend grünen Blätter, mit denen er befiedert war, kringelten sich und wurden schwarz, als das Holz entflammte. Jazz wirkte verärgert,
als sie den brennenden Stock herausriss. Sie schloss das Loch in ihrem Hirn mit einer Berührung ihrer Finger.
»Das war unangenehm«, knurrte sie und sah in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Plötzlich zischte ein zweiter Pfeil vom Gebüsch her. Jazz hob die Hand, und er zerkrümelte in der Luft zu Asche. Ein dritter Pfeil flog, dann ein vierter. Jazz wandte ihre ganze Aufmerksamkeit den Geschossen zu, zerbrach sie, noch bevor sie sie erreichen konnten. Jandra stellte fest, dass sie trotz ihrer großen Macht zumindest eine menschliche Schwäche besaß – sie richtete ihre Aufmerksamkeit immer nur auf eine Sache gleichzeitig. Wenn sie Jazz also irgendwie ablenken konnte … Jandra legte Zeeky auf den Boden und musterte die faustgroße Kristallkugel in ihrer Hand.
»Kann ich die benutzen?«, fragte sie und legte ihre Hand darauf.
Zeeky reichte ihr die Kugel.
Sie war ziemlich schwer, dafür, dass sie aus Energie bestand. Sie wog locker so viel, als wäre sie aus Eisen, mindestens dreißig Pfund. Jandra lehnte sich zurück und schrie: »Bitterholz! Du musst ihr Herz treffen!«
Jazz sah in die Richtung des Schreis. Jandra warf die Kugel mit der ganzen Kraft, zu der ihre durch den Flaschengeist verstärkten Muskeln fähig waren. Woraus diese Kugel auch bestehen mochte, sie erwies sich den Flammen gegenüber als unangreifbar und flog geradewegs weiter, bis sie mit einem lauten Klatschen gegen Jazz’ Mund prallte, deren Lippen durch den Stoß aufplatzten.
Jazz taumelte zurück; benommen tastete sie nach ihrem Mund. Jandra dehnte sich mit Hilfe der Naniten aus und griff nach den Kudzu-Reben hinter der Göttin. Die Reben schossen heraus und wanden sich um Jazz’ Füße; sie zerfielen rasch zu Asche, aber erst, nachdem Jazz zu Boden gestürzt war. Die
Göttin landete auf ihrem Hintern und rollte sich auf Hände und Füße. Jandra lief los, um sich die Kristallkugel zurückzuholen und erneut zu werfen.
Bevor sie sie erreichte, brach Bitterholz durch die Äste und Zweige eines Baumes über der Göttin. Seine Kleidung tropfte. Mit Gabriels Schwert in beiden Händen wirbelte er auf ihre glühende Gestalt zu. Die Waffe glühte sogar noch heller als die Göttin, als er sie tief in ihren Rücken bohrte. Er nutzte den Schwung der Bewegung, sprang weg und stürzte auf das feuchte Gras, wo er sich herumrollte, um die Flammen zu löschen, die an seinen inzwischen trockenen Kleidern ausgebrochen waren.
Jandra versuchte, einen Blick auf Jazz zu werfen, aber es war unmöglich. Es war, als würde sie versuchen, in die Sonne zu sehen. Der Boden unter der Göttin brodelte, und ihre glühende Gestalt verschmolz mit ihm. Langsam ließ das Licht nach, und Jandra trat zu dem Loch. Alles, was dort unten noch zu sehen war, war das brennende Schwert, das in dem herzförmigen Stück aus Silbermetall steckte. Geschwärzte Knochen lagen um das Loch herum. Die Erde hatte sich durch die Hitze in Glas verwandelt.
Bitterholz beugte sich über den Rand des Lochs und packte mit blasenüberzogenen Fingern das Heft. Sofort verklang das weißglühende Feuer zu einem gedämpften kirschroten Glühen. Jandra blinzelte; sie versuchte, den Blick zu klären.
Die Blätter in den Bäumen bewegten sich, als Hex heranflog. Er landete und ließ Ferkelchen aus den Hinterklauen fallen. Das Schwein war unverletzt, aber tropfnass. Hex’ Gesicht war angekokelt, und das eine Auge war so geschwollen, dass er es nicht mehr öffnen konnte. Hier und da stach pinkfarbenes Gewebe durch die geschwärzten Schuppen. Seine Zunge war mit Blasen überzogen. Er lispelte, als er fragte: »Isch schie tot?«
Bitterholz hob das Schwert und starrte auf das Silberherz an der Spitze. Das Feuer hatte es nicht geschmolzen, aber es war aufgerissen, wo die Klinge es durchgeschnitten hatte.
»Wenn nicht«, sagte Jandra, »so haben wir ihr zumindest das Herz gebrochen.«
Zeeky lief zu Ferkelchen und umarmte ihn.
»Ich habe Trisky tot am Strand gesehen«, sagte Hex und sah Bitterholz mit seinem einen Auge ernst an. »Was ist mit Adam passiert?«
Bitterholz zuckte mit den Schultern. »Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass wir nicht gleicher Meinung sind.«
Hoch oben begann der Himmel aufzureißen;
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