Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
bei uns, als wir gefangen genommen wurden. Zeeky war ihr Name. Er hat sie freundlich behandelt, wie ein Vater. Und während du die Lorbeeren für den Sieg der Freien Stadt eingeheimst hast – ein Sieg, den du eigentlich Vendevorex schuldest, wie ich glaube –, war eigentlich Bitterholz derjenige, der den Krieg wirklich gewonnen hat. Er war es, der Albekizan getötet hat.«
»Niemand hat ihn seither gesehen«, sagte Pet. »Nur weil seine Leiche nicht im Fluss gefunden wurde, heißt das noch lange nicht, dass er noch am Leben ist.«
»Er lebt«, sagte sie. »Ich habe mich umgehört. Jemand in Richmond hat einen alten Mann und ein kleines Mädchen auf einem Ochsenhund am Fluss entlangreiten sehen, in westlicher Richtung. Ich bin sicher, dass sie das waren.«
»Selbst wenn wir davon ausgehen, dass das stimmt – wenn Bitterholz bislang nicht gewusst hat, dass sein Sohn noch am Leben sein könnte, wird er auch noch ein bisschen länger warten können. Zieh jetzt nicht los und suche einen Mann, der dich gar nicht wiedersehen will. Ich brauche dich hier an meiner Seite, Jandra.«
»Pet, ich werde nicht mit dir schlafen. Gib es einfach auf.«
»Nein«, sagte er und kniete sich vor sie hin, damit sie sein
Gesicht besser sehen konnte. Sein ganzes Leben lang hatte er Theater gespielt; jetzt wollte er, dass sich die Masken auflösten, die er trug. Er versuchte, ernsthaft zu wirken. »Ich meine, ja, ich werde die Versuche aufgeben, dich zu verführen. Ich brauche dich hier, weil du klug und mutig und stark bist. Vielleicht fühlst du dich nicht wie ein Mensch, aber du bist ein besserer Mensch als ich. Ich brauche dich hier bei mir, wenn das Gipfeltreffen stattfindet.«
»Schaffst du das nicht allein?«
Pet atmete tief und lange ein, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wir wissen beide, dass ich ein Betrüger bin. Du hast recht – ich habe nichts getan, um der Freien Stadt zu helfen, die Schlacht zu gewinnen. Zwei Propheten, Ragnar und Kamon, haben ihre Anhänger um sich geschart, und die haben für mich gekämpft; sie haben die Arbeit getan. Und du hast recht, was Vendevorex betrifft. Wir wären niedergemetzelt worden, wenn er nicht aufgetaucht wäre. Mein einziger Beitrag zur Schlacht hat darin bestanden, vor der Menge zu stehen und heroisch zu wirken.«
»Ja«, sagte sie. »Das passt zu dir.«
Pet grinste. Nicht zu fassen; hatte er schließlich doch noch ein Kompliment von ihr erhalten! Er kehrte zu seinem Versuch zurück, ein ernsthaftes Bekenntnis abzugeben. »Wir wissen beide, dass ich für diesen Tisch absolut ungeeignet bin. Ich habe mein Leben lang nichts anderes getan, als Sonnendrachen zu gefallen. Ich bin schlimmer als ein Sklave. Ich habe als Schoßhündchen eines Sonnendrachen gelebt.«
Jandra schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht viel besser«, sagte sie. »Ich habe mich all die Jahre als Tochter eines Drachen gefühlt. Ich habe nie irgendeine Menschenfamilie kennen gelernt. Man hat mir gesagt, dass meine Eltern tot wären, aber bedeutet das, dass ich allein bin? Was ist, wenn ich Schwestern habe,
oder einen Bruder, oder Großeltern, die noch am Leben sind? Das Schreckliche daran ist, dass ich gar nicht wüsste, was ich mit ihnen reden sollte, wenn sie mich finden würden. Sieh dir nur meine Kleidung an. Der Stoff meiner Kleider erinnert an die Schuppen von Drachen. Ich flechte Federn in meine Haare, weil es wie die Halsfedern von Himmelsdrachen aussieht.«
»Und es sieht sehr beeindruckend aus, wie ich sagen muss«, sagte Pet. »Du bist in einem Palast aufgewachsen. Man kann nicht erwarten, dass du Sackleinen trägst.«
»Ich weiß. Aber es sind meine Träume, die mir Angst machen. In meinen Träumen bin ich ein Drache. Ich träume ständig davon zu fliegen.«
»Oh«, sagte Pet. Er würde sich also doch noch mit Jandra verbinden; er wusste Bescheid über diesen ganz besonderen Zustand. Sanft nahm er ihre Hand und hielt sie zwischen seinen. »Träume vom Fliegen werden gewöhnlich von Frauen geträumt, die noch Jungfrauen sind. Sie sind ein Zeichen für sexuelle Frustration. Vielleicht – «
»Vielleicht verzichte ich darauf, dich zu schlagen, wenn du sofort verschwindest«, sagte sie und riss ihre Hand zurück.
Dem Blick in ihren Augen zufolge meinte sie es ernst. Er stand auf und streckte sich. »Du kannst mir nicht verübeln, dass ich es versucht habe.«
»Geh einfach«, sagte sie und sah wieder auf die Schädelkappe. »Ich hatte gerade angefangen, ein bisschen Sympathie für
Weitere Kostenlose Bücher