Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
sein erwies sich als nicht sehr lohnenswerte Aufgabe.
Als er außer Reichweite des Rauches war und die öden Hügel mit den Sammlern hinter sich gelassen hatte, ließ Graxen sich in den oberen Zweigen eines hohen Baumes nieder. Er
war müde vom vielen Fliegen. Als er landete, erinnerte ihn das Gewicht seiner Tasche erneut an den geheimnisvollen Inhalt. Er öffnete sie.
Darin lag ein Laib dunkles Brot und eine Keramikflasche mit Wasser, die mit einem Korken verschlossen war. Vier getrocknete Forellen waren in öliges Pergament eingewickelt, und darunter befanden sich zwei Äpfel, die so rot wie Blütenblätter waren.
Graxen trank die Flasche zur Hälfte leer; die kühle Flüssigkeit fühlte sich an wie das Leben selbst, als sie in seinen Körper strömte. Er biss in eine Forelle und stellte fest, dass sie rauchig und salzig schmeckte. Es war ein gutes Mahl, das seinen Geist und seinen Körper belebte und ihm die Kraft gab, weiterzufliegen. Dennoch rührte er sich viele Stunden lang nicht vom Baum. Stattdessen blickte er zurück in die Richtung des Nests, musterte den Himmel und dachte über die stärkende Wirkung unerwarteter Güte nach.
Kapitel Drei
Wahnsinnig in zeitloser Dunkelheit
D er Fackelplatz befand sich im Schatten von Shandrazels Palast. Geflügelte Drachen ehrten ihre Toten durch Einäscherung, bei der die spirituellen Flammen, die im Körper gefangen waren, befreit wurden. Nach der Schlacht in der Freien Stadt hatten die Scheiterhaufen des Fackelplatzes von der Abenddämmerung bis zur Morgendämmerung gebrannt. Heute würde Vendevorex den Flammen übergeben werden, der Himmelsdrache, der Albekizan fünfzehn Jahre lang als Zauberer gedient hatte.
Ein Chor von Himmelsdrachen sang; ihre ungewöhnlich hohen Stimmen spiegelten die vergängliche Natur der Flamme wider. Jandra, ein weiblicher Mensch von sechzehn Jahren, stand ruhig und gelassen vor dem Holzpodest, auf dem der Zauberer verbrannt werden würde. Sie war von Vendevorex beinahe wie eine Tochter aufgezogen und in seinen Künsten unterrichtet worden. Sie allein kannte die Geheimnisse seiner Macht, auch wenn es noch weit mehr Geheimnisse gab, die er mit in den Tod nahm.
Neben ihr stand Pet, ein Mann, der beinahe zehn Jahre älter war als sie. Jandra genoss seine Anwesenheit nicht sehr. Pet wurde von anderen Menschen als Anführer der Rebellion in
der Freien Stadt verehrt, doch sie wusste, dass er in Wirklichkeit oberflächlich war, ein Mitläufer. Sogar jetzt, als er neben ihr stand, war er eine lebende Lüge. Alle hielten Pet für den legendären Drachentöter Bitterholz. Pet sah auch ganz so aus wie ein Held: Er war groß, breitschultrig, hatte einen kräftigen Kiefer, lange, goldene Locken und hellblaue Augen. Er war in der Schauspielkunst ausgebildet worden und konnte auf Befehl Reden halten, die andere in Begeisterung versetzten, oder aus unzähligen auswendig gelernten Theaterstücken und Gedichten große Worte beschwören. Aber hinter diesen hübschen Worten war Pet, wie sie wusste, ein Feigling und Schwindler.
Pet legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie näher zu sich heran, als eine Gruppe von Erddrachen den Sarg mit den Überresten von Vendevorex zum Fackelplatz brachte. Es war eine Geste der Zärtlichkeit, die sie überraschte. Sie hätte es vorgezogen, der Verbrennung allein beizuwohnen, aber als er jetzt mit seiner starken Hand sanft ihre Schulter rieb, stellte sie fest, dass sie seine tröstende Berührung begrüßte. Vielleicht war er doch zu Mitgefühl und Einfühlungsvermögen fähig.
»Ich kann deinen Kummer nur erahnen«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Ich fühle mich hauptsächlich benommen«, flüsterte sie zurück. »Mein ganzes Leben ist so schnell vollkommen durcheinandergeraten. «
»Ich weiß«, sagte er. »Hoffen wir, dass die Dinge sich wieder zum Besseren wenden. Shandrazel hat aufrichtig vor, das Leben der Menschen zu verbessern. Du und ich, wir haben gute Chancen, in dieser neuen Weltordnung Positionen mit beachtlicher Macht zu erhalten.«
Jandra versteifte sich. »Ich möchte jetzt nicht über Politik sprechen«, sagte sie.
»Ich verstehe. Tut mir leid.« Er drückte ihre Schulter beruhigend.
Die Erddrachen stiegen die Holzrampe nach oben zu den aufgeschichteten Stämmen.
»Ich will keine Macht«, sagte sie. »Ich will nur, dass Vendevorex zurückkehrt. Ich vermisse ihn. Ich wünschte, ich wäre in den letzten Wochen vor seinem Tod nicht so gemein zu ihm gewesen.«
»Ich glaube nicht, dass du
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