Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Drachen haben kein richtiges Familienleben. Ich bin mit fünf Jahren zu Chakthalla gekommen. Sie fand junge Menschen niedlich, auf die gleiche Weise, wie du ein Hündchen niedlich finden würdest.«
»Oh«, sagte Jandra. Sie hatte dies natürlich gewusst. Viele Drachen hatten im Laufe der Jahre angenommen, dass sie Vendevorex’ Schoßhündchen war. Sie hatte bisher nie begriffen, dass sie und Pet derart ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, was ihr Aufwachsen bei den Drachen betraf.
»Ich bin nicht gerade ein Mensch, der viel über sich nachdenkt«, sagte Pet. »Aber wenn ich zurückblicke und an all die Frauen denke, die ich verführt habe, fühle ich mich wirklich schlecht. Ich habe das gute Aussehen aufgrund meiner hervorragenden Aufzucht und Chakthallas Reichtum dazu benutzt, die Leidenschaft von Schenkenfrauen zu wecken.«
»So, wie du damit geprahlt hast, dachte ich, du würdest es als eine Art Vorrecht empfinden.«
»Das war ein Teil, der dazugehörte«, sagte Pet. »Auf einer tieferen Ebene habe ich die Frauen verführt, weil ich mich dadurch als Mensch gefühlt habe. Ich habe mich nach der Kameradschaft zwischen Menschen gesehnt. Chakthalla hätte mir nie eine richtige Liebesbeziehung erlaubt, eine lebenslange Partnerschaft. Solange ich noch ihr treues Schoßhündchen war und mich mit anderen Schoßhündchen paaren konnte, hat sie sich keine Gedanken über meine Verabredungen gemacht. Alle meine kleinen Eroberungen waren ein Ersatz für eine Liebe, die ich nie erfahren konnte.«
Bei diesen Worten spürte Jandra unerwartete Sympathie in sich aufsteigen.
»Vielleicht solltest du öfter über dich nachdenken«, sagte sie. »Es tut dir gut.«
»Bis jetzt habe ich nie etwas gefunden, wenn ich in mich hineingesehen habe«, sagte er. »Ich war so leer, Jandra. Aber während der Kämpfe um Drachenschmiede hatte ich das Gefühl, als würde mich etwas erfüllen. Das menschliche Band, das ich niemals finden konnte, indem ich mit den Frauen schlief – ich spüre es jetzt bei meinen Kameraden. Ich wäre bereit, mein Leben zu geben, um jemanden in der Festung zu retten.«
»Auch Ragnar?«
»Besonders Ragnar«, sagte Pet. »Er ist die Willenskraft, die unsere Armee antreibt. Und Burke … Burke ist das Gehirn.«
»Und was bist du?«
»Ich bin nur ein Soldat«, sagte Pet. »Und das passt zu mir.«
»Nun, jetzt bist du ein Botschafter«, sagte sie. »Hoffen wir, dass du auch diese Rolle meisterst.«
Pet sagte nichts, während über ihnen weiterhin die Wolken dahinzogen.
Jandra führte Pet unsichtbar zu Shandrazels Zelt. Wütende Rufe waren von drinnen zu hören. War das Hex’ Stimme?
Jandra schob die Zeltklappe beiseite. In dem riesigen Raum war es kalt, aber er bot immer noch einen willkommenen Schutz vor dem Winterwind. Als sie ihre Unsichtbarkeit fallen ließ, sahen die beiden Sonnendrachen in der Mitte des Raumes sie an. Shandrazel wirkte nicht sehr glücklich.
»Störe ich bei etwas?«, fragte sie.
»Bei nichts Wichtigem«, sagte Hex.
»Bei nichts Wichtigem, weil mein Bruder glaubt, dass nichts wichtig ist«, sagte Shandrazel. »Er rät mir, die Welt im Chaos versinken zu lassen. Er ist zwar bereit, die Fehler der Welt aufzuzählen, aber nicht, sie zu berichtigen.«
»Ich behaupte seit langem, dass jeder, der glaubt, das Recht zu haben, die Fehler der Welt zu berichtigen, dazu verdammt ist, dem eigenen Hochmut zum Opfer zu fallen.«
Shandrazel winkte abwehrend mit der Vorderklaue, als würde er versuchen, die Luft von einer derart absurden Aussage zu reinigen. »Diese Diskussion ist beendet. Ich sehe, du hast einen Menschen mit zurückgebracht, Jandra. Hast du vor, uns unseren unerwarteten Gast vorzustellen?«
Pet zog die Kapuze zurück, so dass sein Gesicht zum Vorschein kam.
Shandrazels Augen wurden größer.
»Ich muss nicht vorgestellt werden, Herr«, sagte Pet.
»Wie … wie seid Ihr hierher gelangt?«, fragte Shandrazel. »Kämpft Ihr auf der Seite der Rebellen?«
»Ja, das tue ich«, sagte Pet.
»Ich wusste, dass Ihr bei den Gesprächen nicht wirklich am Frieden interessiert wart«, sagte Shandrazel. »Die ganze Zeit habt Ihr – «
»Nein«, unterbrach Pet ihn. »Nein, als ich bei den Gesprächen war, hatte kein Mensch im Raum mehr Vertrauen in Eure Versprechen als ich. Ich habe Euren schönen Worten geglaubt, Shandrazel. Ich habe Euren philosophischen Argumenten geglaubt und darauf vertraut, dass Ihr nichts als das Interesse der Menschen im Sinn hattet.«
»Das habe ich
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