Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Es waren zehn Frauen, alle unter zwanzig und mit rasierten Schädeln. Sie hatten noch nicht einmal Augenbrauen.
»Wir sind Schwestern der Schlange«, sagte die erste und neigte den Kopf. Sie sprach mit einer weichen, ehrerbietigen Stimme. »Wir sind deine bescheidenen Diener, oh Mördergott. Ich bin Colobi, Schlange des Ersten Ranges. Unsere Verkleidungen hatten dich niemals täuschen sollen.«
»Natürlich«, sagte Blasphet und dehnte die Vorderklauen. Er spürte, wie das Blut mit einem leichten Kribbeln wieder zurückkehrte. »Was ist in dem Bündel?«
»Wir dachten, dass du hungrig nach angemessener Nahrung sein würdest«, sagte Colobi. »Wir haben Valandant entführt, Kansts Jüngsten.«
Blasphet nickte; seine Augen waren vor Bewunderung weit geöffnet. Kanst war jetzt tot, aber er war Blasphets Vetter gewesen, und so war auch Valandant sein Verwandter, wenngleich ein entfernter. Darüber hinaus war Kanst der Befehlshaber von Albekizans Armeen gewesen, und Blasphet vermutete, dass seine Witwe und die übrige Familie gut bewacht wurden. Es gefiel ihm, dass seine Anhänger so viel Eigenständigkeit und Kompetenz bewiesen.
Sie trugen das Bündel zu ihm. Es bewegte sich heftig. Valandant war erst zwei Jahre alt, kaum größer als die Mädchen, die ihn trugen. Von allen Drachenrassen schlossen sich nur die Sonnendrachen zu Familien zusammen. Der Verlust eines derart jungen Kükens so kurz nach dem Tod von Kanst und Albekizan würde der ganzen Familie unvorstellbaren Kummer bescheren.
Die Menschen rollten den Zeltstoff auseinander. Der junge Drache versuchte sich zu wehren, aber seine Flügel waren am Rücken mit einem Eisenring zusammengebunden, der die Vorderklaue beim Gelenk durchbohrte. Seine Beine waren mit einem dicken Hanfseil zusammengebunden, ebenso wie die Schnauze. Valandant peitschte heftig mit dem Schwanz um sich und brachte die Menschen dazu, zurückzuspringen.
»Schschsch«, sagte Blasphet und beugte sich über den verängstigten Drachen. Im Licht der Lampe glänzten Valandants Federschuppen rot wie Blut. Die weit aufgerissenen Augen schwammen in Tränen.
Plötzlich wurde Blasphet von einem übermächtigen Durst erfasst, der ihn von der Schnauze bis zum Bauch zu zerreißen drohte. Er öffnete den Kiefer weit und packte Valandants schlanken Nacken, dann biss er zu und bohrte sich in seinen Hals. Heißes, salziges Blut schoss über seine Zunge und erfüllte seine Nase mit einem zarten, eisenartigen Geruch. Er packte den nach wie vor kämpfenden Drachen und hob ihn sich über den Kopf, als würde er einen Weinkrug leeren. Jetzt war der Körper erschlafft, und er trank davon, bis sein Durst gelöscht war, während Blut seinen Hals entlanglief und in heißen Tropfen auf seinen Bauch fiel.
Blasphet warf die blutleere Leiche beiseite. Er rieb mit den Vorderklauen in dem Blut auf seinen Schuppen und genoss die Wärme. Dann betrachtete er seine blutverschmierten Klauen. Einen Moment lang sah es so aus, als hätte er seine natürliche rote Farbe zurückerhalten, aber als er das Blut abgeleckt hatte, stellte er fest, dass seine Schuppen wieder so durchsichtig waren wie zuvor und die schwarze Haut darunter zum Vorschein kam. Einst hatte er vermutet, dass es der Mangel an Sonnenlicht war, der seinen Schuppen die Farbe geraubt hatte. Jetzt fragte er sich, ob es nicht eine langfristige Nebenwirkung der
verschiedenen Gifte war, die er über die Jahre hinweg eingenommen hatte. Er war durchaus zufrieden mit dem Aussehen der neuen Schuppen – sie waren stoppelig, sogar spitz. Sie verliehen ihm etwas Wütendes.
Die Schwestern der Schlange sahen ihn ehrfürchtig an. Das frische Blut brannte wie flüssiges Feuer in seinem Bauch. Mördergott hatten sie ihn genannt. Es war lange her, seit er diese Worte von Menschenlippen gehört hatte.
»Euer Geschenk gefällt mir«, sagte er. Dann wählte er fünf von ihnen aus und deutete auf sie. »Ihr begleitet mich zu meinem Tempel. Ich vermute doch, dass ihr mir einen errichtet habt?«
»Natürlich, Herr«, sagte Colobi.
»Ihr anderen«, sagte er zu den anderen fünf, »werdet nicht nach Hause zurückkehren. Ich habe überall im Palast vergiftete Messer versteckt. Ich werde euch erklären, wo ihr sie finden könnt. Zur Feier meiner Rückkehr möchte ich, dass ihr so viele Kreaturen tötet wie möglich. Drachen aller Rassen, Menschen, Pferde, Ochsenhunde, Ratten … wo immer ihr Atem findet, beendet ihn. Tötet ohne Rücksicht auf eure eigene Sicherheit. Tötet, bis ihr
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