Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
atmete nicht mehr ein. In heiterer Stille sank Jandra, deren Körper so leblos war wie der einer Puppe, auf dem kalten Boden zusammen. Sie wollte zwinkern und konnte es nicht. Sie konnte nur zusehen, wie das Mädchen über sie hinwegsprang, während sie erstickte.
Hilflos hörte Jandra in ihrem sterbenden, gelähmten Körper, wie das Mädchen mit einem Lachen den Korridor entlanghüpfte, auf der Suche nach weiteren Opfern.
Mürrisch und in Gedanken versunken wanderte Pet durch den Palast. Als Gefährte des weiblichen Sonnendrachen Chakthalla hatte er sich die Abende damit vertrieben, dass er sich zu jungen Frauen in das nahe gelegene Dorf geschlichen hatte. Seit er Jandra getroffen hatte, war er nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen, hauptsächlich deshalb, weil er den größten Teil der Zeit als Gefangener von Albekizan verbracht hatte. Jetzt allerdings war er frei. Und Richmond, eine von Menschen bewohnte Stadt, war nicht sehr weit entfernt. Dennoch fiel es ihm schwer, sich jemand anderen um sich herum vorzustellen als Jandra. Was war nur los mit ihm?
Er marschierte auf den Hof mit den heißen Bädern zu. Einer von Albekizans Vorfahren hatte riesige Teiche errichtet, deren Wasser durch ein System von Rohren erhitzt wurde, die durch verborgene Öfen führten. Pet stellte sich vor, dass es angenehm sein müsste, jetzt ins warme Wasser zu sinken und zu erleben, wie seine Sorgen wegschmolzen.
Als er jedoch den gepflasterten Hof betrat, fand er ihn bereits besetzt vor. Shandrazel hockte im großen Teich. Shandrazel war der Erbe von Albekizan. Die blutroten Schuppen des Sonnendrachen funkelten im flackernden Licht der Fackeln,
die den Teich umgaben. Androkom war bei ihm, der Hohebiologe, der sich nach dem Fiasko von Vendevorex’ Bestattung offenbar etwas entspannte.
Pet drehte sich um und wollte schon gehen, als Shandrazel die Stimme erhob. »Ah! Bitterholz. Komm zu uns.«
Pet sah sich um und fragte sich, wo Bitterholz sein sollte, bis er sich daran erinnerte, dass er ja jetzt Bitterholz war. Er hatte den Namen im Zusammenhang mit der List angenommen, mit der er die Dorfbewohner in der Nähe von Chakthallas Palast retten wollte. Als Folge seiner Täuschung hatte König Albekizan ihn vor Tausenden von anderen Menschen in der Freien Stadt zu Bitterholz erklärt. Eigentlich hätte Shandrazel in ihm einen Todfeind sehen müssen. Aber entweder glaubte Shandrazel Pets List nicht, oder aber er war so trunken von seinem Traum, ein neues Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einzuläuten, dass er bereit war, sogar einem Mann zu vergeben, der dafür bekannt war, dass er Drachen tötete.
Pet schenkte beiden ein bezauberndes Lächeln, während er sich dem Teich näherte.
»Wir haben gerade über das bevorstehende Gipfeltreffen gesprochen«, sagte Shandrazel. »Wir würden uns freuen, Eure Meinung dazu zu hören.«
»Schön«, sagte Pet, löste den Gürtel und streifte die Kleidung ab. Er tat das unbefangen; seine eigene Nacktheit war ihm noch nie peinlich gewesen. Dann hielt er den Atem an und sprang ins Wasser. Der Teich war ziemlich tief, da er für Sonnendrachen gedacht war, mithin für Wesen, die zweimal so groß waren wie Menschen. Das Wasser war unangenehm heiß, beinahe kochend heiß. Pet kam mit einem Keuchen wieder an die Oberfläche. Jetzt sah er auf dem Wasser einen öligen Film. Fische waren ein Hauptbestandteil der Drachennahrung, und ihr Öl bedeckte ihre Schuppen. Nach diesem Bad würde Pet ein Bad brauchen.
»Nun«, sagte er und hielt sich am Rand des Teiches fest. »Zu was möchtet Ihr meine Meinung hören?«
Jetzt sprach Androkom. Er war ein Himmelsdrache mit lebhaften blauen Schuppen, und es hatte den Anschein, als wäre ihm das Wasser unangenehm, da er sich wie Pet am Rand festhielt. »Wir haben darüber nachgedacht, dass eine wahre Reform nicht ohne Veränderung unserer Sprache vonstattengehen kann«, sagte Androkom. »Das letzte halbe Jahrhundert lang wurde das Gebiet von den Bergen bis zum östlichen Meer als das Königreich von Albekizan bezeichnet.«
»Ich verstehe, dass sich das ändern sollte, da er tot ist«, sagte Pet. »Das Königreich von Shandrazel?«
»Nein«, sagte Shandrazel. »Ich bin der König, der das Zeitalter der Könige abschaffen will. Ich werde nicht über dieses Land herrschen – ich werde ihm dienen. Ich erhebe keinen Anspruch auf seinen Besitz. Das Land ist vielmehr der gemeinsame Besitz aller; es gehört den Drachen und den Menschen. Deshalb schlage ich
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