Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
dicker geworden war. Er wusste, dass Nadala ihn nicht öffentlich würde tragen können; tatsächlich war es möglich, dass sie das Geschenk banal und bedeutungslos fand.
Aber er konnte trotzdem nicht widerstehen. Der Gürtel war ein wunderschönes Gebilde aus Klingen. Nadala war ein wunderschönes Wesen, das Klingen benutzte. Vielleicht konnte er ihr einen Brief schreiben, in dem er die symbolische Bedeutung erklärte. Oder würde er damit ihre Intelligenz beleidigen? Jedes Mal, wenn er an den Inhalt der Briefe dachte, die er ihr schreiben wollte, verschloss sich sein Geist rasch, als Zweifel und Möglichkeiten aufeinanderprallten und alles zum Stillstand kam.
Nachdem er mehrere Stunden in Hampton verbracht und den Rufen der Straßenhändler widerstanden hatte, überkam ihn im Laufe des Nachmittags die Müdigkeit. Der Flug zurück zum Palast schien ihm besonders lang zu sein. Er fragte sich, ob Nadala wieder Wache stehen würde. Die Dunkelheit brach schon herein, als er in Sichtweite des Palastes gelangte. Das Erste, was seine Aufmerksamkeit erregte, waren einige Wachen – Erddrachen –, die im Hof hin und her gingen. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf, als er spürte, dass während seiner Abwesenheit etwas Schreckliches vorgefallen war.
Graxen schoss in den Friedenssaal herab und fand Chaos vor. Menschen schrien in der einen Ecke einander an, und in einer anderen zankten sich Biologen. Die Walküren waren nirgendwo
zu sehen. Charkon und die anderen Erddrachen verließen gerade den Saal. Charkon warf mit seinem einen Auge einen empörten Blick in seine Richtung, als Graxen mit den Klauen auf dem Marmor landete. Für einen Moment fragte Graxen sich, ob er den ältlichen Drachen mit seiner Ankunft irgendwie beleidigt haben könnte; es dauerte ein paar Augenblicke, bis er begriff, dass dessen Empörung sich nicht auf ihn richtete, sondern auf die zankenden Menschen.
Shandrazel, der auf dem goldenen Kissen am oberen Ende des Saales saß, blickte mürrisch drein. Jeglicher Optimismus und jegliche Energie, die ihn normalerweise antrieben, waren verschwunden. Hinter ihm auf einem Wandteppich war das Gesicht seines Vaters abgebildet; Albekizan starrte in den Raum hinein. Die smaragdgrünen Fäden seiner Augen schimmerten vor den blutroten Schuppen und ließen die Augen beinahe lebendig erscheinen.
»Herr«, sagte Graxen und trat zu Shandrazel. »Was ist passiert? Hat Blasphet wieder angegriffen?«
»Nein«, sagte Shandrazel. »Mit einer Gruppe von Attentätern würden wir verhältnismäßig leicht fertig werden. Zorasta und die Walküren sind weggeflogen, nachdem sie die Gespräche für beendet erklärt haben. Die Menschen konnten sich auf nichts einigen, und jetzt ist auch noch Charkon wütend weggegangen. Wieso ist das alles nur so schwierig?«
»Was war der Grund für die Auseinandersetzung? Was hat die Krise verursacht?«
»Ich werde es Euch sagen«, erklärte der junge Bitterholz, der Graxens Anwesenheit ebenfalls bemerkt hatte. Der große blonde Mann wirkte ziemlich erregt, ganz anders als der weise, väterliche Freund, der ihm einen Rat bezüglich der Frage gegeben hatte, wie er sich Nadala nähern sollte.
Bitterholz trat vor Shandrazel und richtete seine Worte sowohl
an Graxen wie auch an den König. »Zorasta duldet die Sklaverei stillschweigend. Sie war nicht hier, um über Freiheit zu verhandeln. Sie will alle Menschen weiter in Fesseln behalten!«
Shandrazel seufzte. »Das war nicht das, worum es bei der Auseinandersetzung ging. Zorasta hat lediglich vorgeschlagen, Bogen als gesetzeswidrig einzustufen. Ihr Vorschlag hätte bei euch Menschen keine so heftige Reaktion hervorgerufen, wenn ihr euch nur die Mühe gemacht hättet, ein bisschen über die Sache nachzudenken. Mein Bruder ist durch einen Bogen getötet worden, ebenso wie mein Vater. Es scheint mir nur vernünftig zu sein, dass darüber diskutiert wird.«
»Werden Drachen gebeten, ihre Zähne und Klauen abzugeben? Werden sie gebeten, nicht mehr mit Speeren in den Klauen über unseren Köpfen zu fliegen? Der Bogen ist die einzige Waffe, mit der ein Mensch sich verteidigen kann!« Graxen fand den Ton, in dem der junge Bitterholz dies rief, höchst respektlos. Vielleicht hatte die Matriarchin recht, wenn sie sagte, dass die Menschen ihre Gefühle nicht beherrschen konnten.
»Es wird nichts mehr geben, wogegen sie sich verteidigen müssten«, sagte Shandrazel, der müde klang, als hätte er die Worte bereits viele Male vor Graxens Ankunft
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