Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Mehrmals war er gezwungen, höher nach oben zu ziehen, als er bemerkte, dass er nur wenige Fuß über den Baumkronen flog.
Ein paar Meilen voraus konnte er den Schimmer der Gießereien sehen. Die Luft trug den schwachen Geruch nach brennender Kohle heran, die sich mit dem Holzrauch von Hunderten von Lagerfeuern mischte, welche die Landschaft unter ihm sprenkelten. Graxen wurde neugierig. Er wusste, dass in der Nähe von Drachenschmiede menschliche Sammler lebten, aber waren es wirklich so viele? Die Lagerfeuer unter ihm erstreckten sich etwa eine Meile über der bergigen Landschaft. Handelte es sich um irgendein Fest, das die Menschen begingen?
Neugier und Erschöpfung veranlassten Graxen schließlich dazu, nach einem Platz zum Landen Ausschau zu halten. Seine scharfen Augen fanden die Hauptstraße unter ihm. Seine Flügel wackelten, als er versuchte, sie gerade zu halten, und der Boden kam schneller auf ihn zu, als er erwartet hatte. Seine Hinterklauen knickten ein, als er auf die festgestampfte Erde prallte. Er ließ sich in einen Purzelbaum rückwärtsfallen und kam schlitternd zum Stehen. Der Boden unter seinen Klauen war abgenutzt von Generationen von Reisenden. Schließlich blieb er auf dem Rücken liegen, während die Flügel schlaff an seinen Seiten hingen.
Drachen lagen normalerweise nicht auf dem Rücken, aber
Graxen empfand diese Position als unerwartet bequem. Er starrte zu den Sternen hoch, die hinter einem Dunstschleier sanft schimmerten. Steine, die von unzähligen Schritten geglättet worden waren, drückten sich in seine Schultern und Hüften, aber diese Unannehmlichkeit wurde ausgeglichen durch die Erleichterung, die mit der vollkommenen Hingabe an die Schwerkraft einherging, nachdem er einen ganzen langen Tag fast nur in der Luft verbracht hatte. In diesem Moment hatte er den Eindruck, es müsste ein schönes Gefühl sein, sich einfach noch tiefer in die Erde einsinken lassen zu können.
Er schloss die Augen, fühlte sich verloren und allein. Was ging mit ihm vor, dass er hier draußen in der Dunkelheit lag, sich jenseits jeder Grenze der Sicherheit und geistiger Vernunft auf einer so hoffnungslosen Mission angetrieben hatte?
»Nadala«, flüsterte er. »Wo bist du?«
Er lauschte in die Nacht, als würde er von dort eine Antwort erwarten.
Ein knirschendes Geräusch kam von einem Gebüsch in der Nähe. Jemand bewegte sich. Mehrere Jemands. Menschen? Es klang nach Menschenmännern, als sich jetzt jemand flüsternd unterhielt. Graxen konnte nur jedes zweite Wort verstehen: Tot? Gefallen. Spion? Töten?
In dem Moment, als er die sehr wahrscheinliche Möglichkeit erkannte, dass er es war, über den sie sprachen, öffnete Graxen die Augen. Wieso sollten Sammler auf den Gedanken kommen, dass jemand sie ausspionierte? Gab es so nah bei Drachenschmiede irgendeinen besonders wertvollen Gegenstand aus Rost, der unbeansprucht liegen geblieben war?
Graxen rollte sich herum, wogegen sein steifer Körper heftig protestierte. Er versuchte aufzustehen und bemerkte plötzlich, dass sich um ihn herum etwas bewegte. Das Flüstern in der Nähe verwandelte sich in Rufe.
»Packt ihn!«, befahl ein Mann. Schritte klatschten überall um ihn herum auf den Boden. Im Dunkeln konnte Graxen zwei, drei, vier, fünf Schatten erkennen, die auf ihn zu rannten.
Instinktiv schlug Graxen mit seinem Schwanz auf die Männer ein. Die Kampferöffnung funktionierte. Der Anführer des Quintetts taumelte, der zweite stolperte über ihn und ließ sein mit Kerben zerfurchtes Schwert fallen, als er zu Boden ging, und der dritte Mann machte einen Satz über seine Kameraden hinweg; er wirkte ziemlich athletisch und heldenhaft, als er durch die Luft segelte und dabei eine Mistgabel über dem Kopf schwang; offensichtlich war er darauf erpicht, die scharfen Zinken in Graxens Hirn zu vergraben.
Graxen machte einen Satz nach vorn. Er beugte sich zu dem Mann hin und ließ zu, dass die Mistgabel über seinen Kopf schwang. Die Zinken streiften die Schuppen an seinem Rücken, als er seine Zähne im Bauch des Mannes vergrub. Der Mann gab ein gurgelndes Geheul von sich, als Graxen ihn genau in dem Augenblick zur Seite schob, da der vierte Angreifer einen Knüppel in einem geschmeidigen Bogen gegen seine Schnauze schwang. Graxen wich zurück; er konnte den Luftzug des Schlages an seinen Nüstern spüren. Dann sprang er auf und schlug mit den Flügeln, während er mit den Hinterklauen um sich trat und dem Knüppelschwinger einen langen und
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