Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
mitzuschleppen; so, wie der blasse, weißblaue Sack bei jeder Bewegung hin und her schwappte, schien er voller Flüssigkeit zu sein. In der anderen Vorderklaue trug der Drache eine beeindruckende Axt mit einem Stahlgriff. Bitterholz’ Herz machte einen Satz, als er die Waffe erkannte: Es war die Axt des Propheten Hezekiah, eine Axt, die ihm vor nicht allzu langer Zeit beinahe das Leben geraubt hätte. Wer war das?
»Du hast hier nichts zu suchen, Fremder«, sagte Rorg und beäugte den gepanzerten Drachen.
Der Neuankömmling blieb klirrend ein paar Schritt vor der Feuerstelle stehen. »Ich bin kein Fremder, Rorg«, sagte er. »Mein Vater hat dich gut gekannt. Auch wenn er deine närrische Philosophie nie angenommen hat, hat er deine Brutalität immer bewundert. Er dachte, dass von allen Domizilen in seinem Königreich du die beste Art und Weise gefunden hättest, wie man mit den Menschen in seinem Land umgeht.«
»In seinem Königreich?«, fragte Rorg. »Der einzige König, dem ich jemals gedient habe, war Albekizan. Er ist tot, und es sind keine Söhne da, die seinen Platz einnehmen könnten.«
Bitterholz wusste, dass das nicht ganz richtig war. Es war noch ein Sohn am Leben.
»Mein Name ist Hexilizan«, sagte Hex und benutzte seinen formellen Namen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Das Licht der Feuerstelle glitzerte auf seiner polierten Brustplatte. »Du kennst mich, Rorg.«
In den trüben Augen des fetten Drachen flackerte ein Licht auf. »Ah«, sagte er. »Der entehrte Sohn. Kastriert, beschämt und zu einem Leben verurteilt, das kaum mehr als das eines Sklaven war. Jetzt kommst du in Rüstung hierher und zeigst dadurch deine Angst vor den natürlichen Waffen der wahren Drachen! Verbeuge dich vor mir, Hexilizan, dann erlaube ich dir vielleicht, diese Höhle lebend zu verlassen.«
Hex schüttelte den Kopf; das Kettengewebe in seinem Nacken klirrte. »Deine Wiedergabe meiner Geschichte ist korrekt. Ich habe einen Großteil meines Lebens als Diener eines anderen Drachen gelebt. Ich fand diese Erfahrung widerlich. Das Zeitalter der Könige ist zu Ende, Rorg, ebenso wie das der Sklaverei.«
»Du klingst wie dein rückgratloser Bruder Shandrazel.« Rorg spuckte den Namen förmlich aus, als wäre er ein Scheißhaufen, den er auf seiner Zunge gefunden hatte.
»Mein Bruder hat dummerweise an die Gleichheit aller Wesen geglaubt«, sagte Hex. »Ich glaube an etwas anderes: Ich stehe für nichts mehr und nichts weniger ein als für die Freiheit. Ich bin dir dankbar, dass du diese Versammlung einberufen hast, Rorg. Das macht es mir leicht, mich an euch alle zugleich zu wenden. Ihr müsst alle eure Sklaven freilassen. Eigentlich müsste sich das mit eurer Philosophie vertragen. Ihr nennt euch Bestien. Wo in der Natur findet sich die Sklaverei, außer bei den Drachen? Kein anderes Geschöpf auf dieser Welt hat sich jemals Sklaven gehalten.«
»Die Menschen sind nützliche Parasiten«, sagte Rorg. »Wer soll unsere Höhlen sonst ausmisten?«
»Selbst die Erddrachen haben Gefallen an Toiletten gefunden«, sagte Hex. »Es ist an der Zeit, dass ihr euch weiterentwickelt. «
»Wer bist du, dass du hier Befehle gibst? Du bist kein König!«
»Nein«, sagte Hex. »Ich bin kein König. Ich treibe auch keine Steuern ein und nenne kein Fleckchen Erde mein Eigen. Ich bin lediglich ein Philosoph, der die unzähligen Ungerechtigkeiten auf dieser Welt sieht. Im Gegensatz zu meinem pazifistischen Bruder bin ich aber auch ein Krieger. Ich betrachte Gewalt als zulässiges Argument, andere dazu zu bringen, die Dinge auf meine Art zu sehen.«
Bitterholz hatte Hex in Aktion erlebt. Er mochte ihn mehr als Krieger denn als Philosoph. Nicht, dass er ihn überhaupt übermäßig mochte.
»Du bist hier eins zu sechzig in der Unterzahl!«, schnaubte Rorg, während er sich wieder auf die Hinterbeine erhob. »Du bist nicht in der Position, mir mit Gewalt zu drohen!«
Bitterholz zielte auf Rorg. Von hier aus hatte er freie Schussbahn auf die Kehle des Sonnendrachen. Es würde leicht sein, die Hauptarterie zu durchtrennen, die sein Gehirn versorgte. Die Bestie würde innerhalb weniger Augenblicke tot sein.
Sein Blick wanderte von Rorg zu Hex. Die einzigen verletzlichen Stellen dieser Rüstung waren die schmalen Sehschlitze im Helm. Solch ein Schuss würde eine weit größere Herausforderung darstellen. Und angesichts seines Schusswinkels bestand auch die Gefahr, dass er Hex lediglich das Augenlicht raubte, statt ihn zu
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