Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
zu schnell von Leichen versperrt werden würde. Seine Blicke durchforschten die Kammer – den Wald aus Stalagmiten und Stalaktiten, die unzähligen Nischen und Alkoven und Tunnel – um die geeignetste Stelle zu finden. Er konnte sich den passenden Augenblick zum Zuschlagen aussuchen, da die Aufmerksamkeit der Drachen weiter auf Rorg gerichtet war.
»Verrat!«, rief Rorg. »Dieser heimtückische Verbrecher Vulpinus hat Thak mit seinen unheiligen Waffen beinahe verkrüppelt und dabei unsere Ehre und unseren Anstand zu seinem Vorteil ausgenutzt. Er hat meinen Sohn zum Zweikampf herausgefordert und sich dann auf seine betrügerische Klinge verlassen! Darf diese Ungerechtigkeit bestehen bleiben?«
»Nein!«, brüllten die Bestien. Das heranwogende Geräusch brachte Bitterholz’ Zähne zum Klappern.
»Söhne! Brüder! Geehrte Freunde! Begleitet mich auf meinem
Rachefeldzug! Wir werden zum Drachenpalast marschieren! Wir werden den Okkupator Chapelion vom Thron stürzen! Wir werden die moralische Pest beseitigen, die unsere Drachenbrüder befallen hat! Die Zeit ist gekommen, so zu herrschen, wie die Natur es beabsichtigt hat. Von der Küste bis zum Gebirge müssen wir diese Land in ein einziges endloses Knochenfeld verwandeln! Wir sind die Jäger! Alle anderen sind Beute! Das ist das einzige Gesetz!«
Die Drachen brachen in blutrünstiges wildes Gebrüll und Geschrei aus. Voll grimmiger Zufriedenheit schürzte Bitterholz die Lippen. Es kümmerte ihn nicht mehr, was Zeeky dachte. Er würde sich zum Frühstück ein Drachensteak gönnen.
Er spannte den Bogen. Unglücklicherweise war Rorg, der bisher auf seinen Hinterbeinen gestanden hatte, jetzt wieder auf allen vieren, so dass Bitterholz keine gute Schussmöglichkeit mehr hatte. Rorg mit einem einzigen Pfeil durch seine Ohrenscheibe zu töten, hätte die anderen Drachen in Panik ausbrechen lassen. Er musterte die verbleibenden Ziele und versuchte zu entscheiden, wessen Tod die dramatischste Auswirkung haben mochte.
Während die Sekunden vergingen, ließ das blutrünstige Gebrüll der Menge nach und wurde durch ein verwirrtes Gemurmel ersetzt. Lange, gewundene Hälse begannen sich zu recken und zu drehen, als Köpfe sich dem hinteren Teil der Kammer zuwandten. Bitterholz ließ seinen Bogen sinken. Was ging da vor?
»Rorg«, sagte eine tiefe Stimme von irgendwo hinter den versammelten Drachen. Sie stammte offenbar von einem weiteren Sonnendrachen. »Ich habe gehört, dass du dich zum König machen willst.«
Während sich die Blicke sämtlicher Anwesenden auf den Neuankömmling im hinteren Teil des Raums richteten, nutzte
Bitterholz die Gelegenheit, um auf einen Sims an der westlichen Wand zu klettern. Er lag in etwa zwanzig Fuß Höhe und bot eine gute Sicht auf den ganzen Raum. Dahinter befand sich eine Nische, die tief genug war, dass er sich vor zuschnappenden Kiefern in Sicherheit bringen konnte, sollte jemand versuchen, ihn zu erreichen. Und sie war hoch genug, dass die sich stapelnden Leichen ihn nicht daran hindern würden, neue Ziele zu finden.
Während er die glitschige Felswand hochkletterte, wurden die versammelten Drachen totenstill. Wodurch plötzlich ein klirrendes, klapperndes Geräusch zu hören war, das Bitterholz an den inzwischen toten Sonnendrachen Kanst erinnerte – den ehemaligen Befehlshaber der Armee des Königs, der sich immer in einen dicken eisernen Plattenpanzer gehüllt hatte. Bitterholz erreichte den Absatz und drehte sich um. Der Neuankömmling war in der Tat ein Sonnendrache, der eine Rüstung trug; es sah beinahe so aus, als handelte es sich tatsächlich um Kansts Rüstung, so kunstfertig war sie gestaltet. Ein schwerer Helm verbarg das Gesicht des Drachen; Kettengewebe bedeckte seine Kehle. Seine Brust und sein Rücken waren durch einander überlappende Stahlplatten geschützt. Selbst sein Schwanz war mit Eisenstreifen bedeckt, und an der Spitze trug er eine schwer aussehende, mit Klingen gespickte Kugel – ein neues Detail, sofern dies tatsächlich Kansts Rüstung war. Nur die grün schimmernden Flügel waren ungeschützt, aber das nützte nicht viel. In der Luft konnte es sich mit ein bisschen Unterstützung durch die Schwerkraft für einen Drachen als tödlich erweisen, ihm in den Flügel zu schießen. Auf dem Boden allerdings würde das gleiche Loch den Drachen lediglich etwas verärgern.
Der gerüstete Drache schleppte etwas mit sich, das aussah wie ein prall gefüllter Kuhmagen. Bitterholz fand es eigenartig,
so etwas
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