Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
wagen. Sie schleuderte ein Wurfmesser auf ihn. Das Messer schoss wie ein Pfeil genau an die Stelle, an die der Drache im nächsten Moment seine dicke Klaue bringen würde, um zuzugreifen. Helle Funken stoben auf. Der Erddrache zog sich zurück und sah sie argwöhnisch an.
Anza blickte nach oben. Ihr wahres Ziel waren weder die Erddrachen noch die Ochsenhunde. Ein Himmelsdrache kam im Sturzflug auf sie zu, der Rüstung nach eine Walküre. Sie hielt einen Speer von fast zwanzig Fuß Länge so in den Hinterklauen, das seine Spitze Anza genau ins Herz treffen würde.
Anza zählte die Sekunden und spannte ihre Beine bis zum letzten Augenblick an.
Dann sprang sie hoch und schlug die Speerspitze zur Seite und nach unten, so dass der Schaft ohne Schaden anzurichten an ihrem Brustkorb und ihrer Hüfte vorbeiglitt. Im Scheitelpunkt ihres Sprungs packte sie das Bein der Walküre.
Das überraschende zusätzliche Gewicht brachte diese ins
Trudeln. Anza hielt sich mit aller Kraft fest, als die Welt um sie herum sich in einen Wirbel verwandelte. Das Drachenweibchen sackte steil nach unten ab und schlug wild mit den Flügeln, um ihren Sturzflug unter Kontrolle zu bekommen. Anza zog die Beine ein, als sie über die Baumwipfel hinwegschossen, die den Fluss säumten. Sobald sie über dem dunklen Wasser waren, ließ sie los. Sie fiel sich überschlagend in die Tiefe und klatschte rücklings und mit ausgestreckten Armen und Beinen auf die Wasseroberfläche. Es war die schmerzhafteste Landung, die überhaupt denkbar war, aber sie war nicht tödlich. Noch immer atemlos von dem Aufprall, versank Anza im eiskalten Wasser.
Sie strampelte mit den Beinen, um schneller als die Strömung flussabwärts zu kommen, während sie darum kämpfte, unter Wasser zu bleiben. Ihre Lunge brannte. Weiße Sterne tanzten vor ihren Augen. Schließlich konnte sie es nicht mehr aushalten. Sie drehte sich auf den Rücken und ließ sich sanft nach oben tragen, so dass nur ihr Gesicht aus dem Wasser ragte. Sie atmete tief und lautlos ein, während sie den Himmel musterte. Überall waren Drachen. Sie tauchte wieder unter, machte kraftvolle Schwimmbewegungen mit den Beinen, um so tief wie möglich auf den Grund zu gelangen, denn sie wollte keine Wellen erzeugen, denen die Drachen möglicherweise folgen konnten.
Die Strömung war stark und machte sie schneller, aber sie schwamm vollkommen blind. Sie hatte keinerlei Ahnung, wie weit sie schon gekommen war. Sie schwamm so lange, bis sie nicht mehr konnte und wieder an die Oberfläche musste. Diesmal stieg sie mit sehr viel weniger Anmut und Selbstbeherrschung auf. Sie hatte es zu weit getrieben. Ihr Herz fühlte sich an, als wäre es von unzähligen Nadeln durchbohrt. Platschend und nach Luft schnappend brach sie durch die Oberfläche,
tastete mit einer Hand nach einem Messer an ihrem Gürtel, das ihr jedoch, als sie es zog, aus den zittrigen Fingern fiel. Sie versuchte, es aufzufangen, aber durch die plötzliche Bewegung geriet ihr Gesicht wieder unter Wasser.
Sie atmete einen großen Schluck eiskaltes Wasser in die Lunge. Danach rührte sie sich nicht mehr, versuchte sich zu beruhigen und ließ sich vom Auftrieb ihres Körpers tragen. Reglos lag sie an der Oberfläche und trieb dahin; ihre Nase ragte nur knapp aus dem Wasser. Sie wollte zum Ufer schwimmen, aber jedes Mal, wenn sie versuchte, den Kopf zu drehen, tauchte sie wieder tiefer in den Fluss ein.
Sie schloss die Augen, fühlte sich betäubt. Wasser schwappte ihr in die Kehle. Sie hustete heftig, während sie wild mit Armen und Beinen ruderte, um irgendetwas Festes zu finden, an dem sie sich festhalten konnte.
Sie vergaß, wo sie war oder warum ihr so kalt war und schloss wieder die Augen.
Eine Hand schlang sich um ihr Handgelenk. Ihre Lider hoben sich flatternd, als sie durch flaches Wasser über glatte Flusssteine gezogen wurde. Ihre Retterin war eine Frau in ihrem Alter in einem langen, weißen Gewand, das bis zu den Knien nass war. Anza hustete wieder, so heftig, dass ihr Arm aus dem Griff ihrer Retterin rutschte. Sie rollte sich auf dem steinigen Ufer auf den Bauch und hustete Wasser. Ihr Husten löste etwas Tieferes in ihr aus, und sie begann, sich zu erbrechen, Teelöffel voll klarer, bitterer Flüssigkeit von sich zu geben. Danach lag sie auf den unebenen Steinen und fühlte sich vollkommen leer. Ihr ganzes Leben lang hatte ihr Vater ihr beigebracht, ihren Körper wie eine Maschine zu benutzen. Sie wusste, wie sie ihn an die Grenzen seiner
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