Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
freuen, dich zu treffen. «
Colobi hielt ihr die geöffnete Hand hin, und zögernd legte Anza ihre eigene hinein. Die weißgewandete Frau führte Anza durch das weit offenstehende Tor der Freien Stadt, während sie leise in sich hineinsummte.
Das Beunruhigendste an den Straßen war, dass sie unnatürlich sauber wirkten. In Drachenschmiede fiel ständig Dreck vom Himmel. Sogar Anzas Heimatort Burkes Schenke hatte die Zeichen des täglichen Lebens getragen: aufgeplatzte Tünche an den Häusern; heruntergefallene Latten in den Zäunen; Fenster, die vom Ruß der Lampen dauerhaft dunkel geworden waren. Im Gegensatz dazu sah die Freie Stadt aus, als wäre sie erst einen Tag zuvor errichtet worden. Jede Wand leuchtete mit frischer Farbe. Granitpflaster bedeckte die Straßen, mit Kristallen versehen, die im Morgenlicht glitzerten. Jeder Dachziegel der Häuser entlang der Straße war genau parallel zu den anderen um sich herum.
Es gab keinerlei Hinweis darauf, dass einmal eine wüste Schlacht diese Straßen in Blut getaucht hatte. Anza fragte sich, ob die Berichte über die Freie Stadt übertrieben gewesen waren. Oder ob vielleicht die Leute, die jetzt hier lebten, einfach nur stärker daran arbeiteten, sämtliche Spuren dieser unangenehmen Ereignisse auszulöschen.
Sie wandten sich in eine Straße, in der halb errichtete Häuser standen. Ein Gruppe von fünf Arbeitern stand neben einem Stapel Bauholz, sie unterhielten sich leise murmelnd und lachten, während sie heiße Brühe aus Zinnbechern tranken. Ihre weißen Leineneinteiler wirkten wie neu. Es gab keine
Risse, keine Flicken, keine Flecke. Die Männer – allesamt Erwachsene im mittleren Alter – strahlten ebenfalls etwas Unverfälschtes, Reines aus. Anza konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal fünf Männer hatte zusammenstehen sehen, von denen nicht mindestens zwei offensichtliche Gesichtsnarben getragen hatten. Und diese Männer hier hatten nicht einmal sonnengebräunte oder wettergegerbte Gesichter. Seltsam.
Dann stellten sich ihr die Nackenhaare auf, als drei grüne, schuppige Köpfe auf die Arbeiter zugingen. Erddrachen. Die Menschen hoben die Köpfe und grüßten, als die Drachen zu ihnen traten. Zusätzliche Becher wurden mit Brühe aus einem Keramikkessel gefüllt und den Drachen gereicht, die sie sanft in ihre gewaltigen Klauen nahmen.
Colobi musste bemerkt haben, dass Anza dorthin starrte.
»Hier herrscht kein Hass zwischen Menschen und Drachen«, sagte sie. »Seit Jahrhunderten kämpfen wir darum, die Mittel, die dieses Land zu bieten hat, zwischen vier intelligenten Rassen aufzuteilen, die unterschiedliche Talente und Fähigkeiten besitzen. Jetzt sind die Tage des Hungers und der Verbitterung vorbei. Wir haben die Zeit der Fülle erreicht. Drachen und Menschen werden Teil einer großen Familie sein. Wir haben genug von giftigen Philosophien. Wir werden alle geheilt werden.«
Wie zum Beweis ihrer Worte kamen zwei Himmelsdrachen zum Bauplatz und begrüßten die Menschen und die Erddrachen. Die Himmelsdrachen rollten ein großes Stück Pergament auf den Brettern aus, und alle scharten sich darum, um einen Blick auf die Pläne werfen zu können.
Colobi ging weiter auf eine große, rote Scheune zu. Während Anza ihr folgte, sprach Colobi. »Es kommt dir vielleicht etwas komisch vor, dass der Heiler in so bescheidenen Räumen lebt. Einige von uns würden es vorziehen, einen Tempel für sein Wohlbefinden zu errichten, aber er besteht darauf, dass wir unsere
Arbeit auf das Wohl vieler richten und nicht nur auf das eines Einzigen. Das Errichten von Häusern für die Flüchtlinge hat Vorrang.«
Während sie sich der breiten Doppeltür der Scheune näherten, blinzelten Gesichter durch kleine Fenster. Die Türen öffneten sich langsam, als sie sich näherten.
In der Scheune war es so warm wie im Frühling. Der Raum war voller Kerzen, die die Mauern säumten und auf Dachsparren steckten. Das Licht flackerte in der Brise, die durch die offene Tür hereinfiel.
Im hinteren Bereich der Scheune befand sich ein großes Podest aus Strohballen, über die gebleichtes Segeltuch gespannt war, das einst einem Schiff gedient haben mochte. Die einzigen Leute hier waren etwa zwanzig junge Frauen in Colobis Alter. Sie alle trugen weiße Gewänder und knieten um die Plattform herum. Sie hielten die Köpfe gesenkt, als würden sie zu einer unsichtbaren Gottheit beten.
Colobi blieb vor der Plattform stehen. Sie nahm Anzas rechte Hand und sah ihr in die
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