Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
Funktionsfähigkeit treiben konnte. Ihre Muskeln und Beine waren wie ein hochgradig eingespieltes
Uhrenwerk. Jetzt war sie ihrer Zahnräder beraubt worden. Sie konnte nicht einmal mehr einen Finger heben.
»Armes Ding«, sagte das Mädchen, das sie aus dem Fluss gezogen hatte und jetzt neben ihr hockte. Sie schob eine Hand unter Anzas Schulter und rollte sie auf den Rücken. »Wir müssen dich wieder auf die Beine bringen. Wenn du dich nicht bewegst, wirst du erfrieren. Du wirst einschlafen und nie wieder aufwachen.«
Anza fand diese Vorstellung annehmbar. Die Augen fielen ihr wieder zu. Es würde gut sein, friedlich wegzudämmern, niemals mehr …
KLATSCH!
Eine halbe Sekunde lang fragte Anza sich, was die Ursache für dieses Geräusch gewesen war. Ihre eiskalte Haut war taub. Sie spürte den Druck des Schlages schwach auf ihrer Wange, aber da war kein richtiger Schmerz. Dann setzte allmählich ein Prickeln ein, als würden ihre Wangen von tausend Bienen gestochen.
Sie hob die Hand an die Wange und rieb daran.
Bereits diese kleine Bewegung ermüdete sie. Sie sah Finger in der Nähe ihres Gesichts. Waren es ihre? Sie ließ den Arm wieder zur Seite fallen und stieß einen langen, zitternden Atemzug aus, als ihre Augen sich erneut schlossen.
KLATSCH!
Anza riss die Augen auf. Das Mädchen hatte die Hand gehoben und machte sich zu einem dritten Schlag bereit. Instinktiv packte Anza die Hand, die auf ihr Gesicht zuraste.
Sie setzte sich auf und warf dem Mädchen einen finsteren Blick zu.
»Entschuldige«, sagte das Mädchen. »Kannst du jetzt wach bleiben? Glaubst du, du kannst stehen?«
Anza schüttelte den Kopf. Sie war überrascht, dass sie auch
nur sitzen konnte. Die Frau in Weiß bewegte sich hinter ihr und schlang ihre Arme um Anzas Rumpf, um sie hochzuheben. Anza fand Halt mit den Füßen und stand schon bald auf wackligen Beinen. Das Mädchen legte sich Anzas Arm über die Schultern, um sie zu stützen.
»Bei der Göttin«, sagte ihre Retterin und musterte Anzas Hirschlederkleidung. »Du hast wirklich eine Menge Messer.«
Anza zuckte mit den Schultern.
»Ich bin Colobi«, sagte das Mädchen. Anza betrachtete ihre Retterin genauer. Sie war kleiner als Anza und ein bisschen schwerer, hatte große Brüste und runde Schultern. Ihre Haare – so hell, dass sie fast weiß waren – hingen frei um ihr Gesicht. Colobis Gesicht war so makellos wie Porzellan, ohne die geringste Narbe oder einen Mangel zu offenbaren. Ihre Augen besaßen ein strahlendes, klares Blau.
»Versuchen wir zu gehen«, sagte Colobi und machte einen Schritt vorwärts.
Anza bemühte sich, ihre Füße zu bewegen. Sie musste nach unten sehen, um zu erkennen, ob sie ging. Sie konnte tatsächlich nicht viel mehr fühlen als die zwei brennenden Sonnen an ihren Wangen, wo Colobi sie geschlagen hatte.
»Wie heißt du?«, fragte Colobi.
Anza machte sich nicht die Mühe, darauf zu reagieren. Sie konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während sie sich langsam weiter und weiter vom Fluss entfernten.
Anza hatte die Kontrolle über ihre Beine zurückerlangt, als sie die Freie Stadt erreichten. Eine Palisade aus Baumstämmen umgab die Stadt. Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Zelten standen entlang der Straße, die zu den Toren führte. Anza schnüffelte in der Luft. Erddrachen waren in der Nähe,
eine ganze Reihe, ebenso wie Menschen. Sie versuchte sich an das zu erinnern, was sie über die Freie Stadt wusste, aber ihr Kopf fühlte sich immer noch so an, als wäre er mit Schnee zugestopft. Allerdings erinnerte sie sich daran, dass dieser Ort im Gefolge des versuchten Völkermords verlassen worden war. Wer waren dann alle diese Leute?
Eine Zeltklappe hob sich, und ein Himmelsdrache trat heraus. Der Himmelsdrache sah sie direkt an und hob eine Vorderklaue zum Gruß. »Guten Abend, Schwester«, sagte er. »Ich sehe, du hast eine verletzte Seele gefunden.«
»Ich habe sie aus dem Fluss gezogen, Bruder«, sagte Colobi. »Ich vermute, sie ist diejenige, die von den Luftwachen gesucht wurde.«
Anza riss sich von Colobi los; sie war verblüfft über den Verrat dieser Frau. Sie hob die Hand, um nach der Schwertscheide an ihrem Rücken zu tasten, aber ihre Finger waren immer noch zu taub, um das Schwert halten zu können.
Sie schob ihre Finger unter die Achseln, um sie zu wärmen.
»Keine Panik«, sagte der Himmelsdrache, während er seinen Körper zur Hälfte wieder ins Zelt beförderte. »Niemand wird dich
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