Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
Rippen und Klauen als vage schlangenförmige Gestalt am Ufer. Kupferfarbene Schuppen sprenkelten den Strand und glänzten im dämmrigen Licht wie frisch geprägte Münzen.
Sie nahm eine der Schuppen auf. Tief in ihrem Innern öffnete sich eine Tür, und sie erinnerte sich daran, wie sie die Pläne für die Langwyrmer gezeichnet hatte.
»Was ist das?«, fragte Shay.
Jandra hielt ihm die kupferne Schuppe in der geöffneten Hand entgegen. Sie erinnerte in Größe und Gestalt an die Blüte einer seltsamen Rose.
»Jazz hat Gene, die sie in Käfern gefunden hatte, mit der reptilischen DNA verbunden, um den Langwyrmern diesen metallischen Schimmer zu geben. Sie ist durch Bilder von chinesischen Drachen darauf gebracht worden.«
»Chinesischen Drachen?«
»Es gab mal ein Land, das China hieß.«
»Wie die Teller und Becher, die die reicheren Biologen benutzen? Ein Land, das nach Essgeschirr benannt wird?«
»Es war andersherum. Wir konnten uns noch an das Porzellan erinnern, aber nicht mehr an das Land.«
Echs hüpfte von ihr herunter und nahm eine der Schuppen auf, prüfte sie mit seiner Zunge. Dann ließ er sie fallen; offenbar war er zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um Nahrung handelte.
»Vielleicht gibt es doch größere Lücken in meinem Wissen über die Fortpflanzung, als ich dachte. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein Käfer und ein Reptil sich zusammen fortpflanzen können«, sagte Shay.
»Tun sie auch nicht, zumindest nicht auf die übliche Weise. Jazz stammt aus einem Zeitalter, in dem es möglich war, das genetische Material des einen Wesens in ein vollkommen anderes
zu verpflanzen. Auf diese Weise wurden auch die Drachen erschaffen. Sie sollten so exotisch sein wie Wildtiere und zum Zeitvertreib gejagt werden.«
»Menschen haben die Drachen zur Unterhaltung gejagt?« Shay wirkte skeptisch.
»Eine interessante Ironie, nicht wahr?«
»Hat Jazz die Drachen erschaffen?«
»Nein. Sie war dagegen, sie zum Spaß zu jagen. Ihre Meinung änderte sich allerdings, als … wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich das Thema wechseln. Ich fühle mich nicht sehr gut dabei, so viel über ihr Leben zu reden. Sie hat tausend Jahre Geschichte hinter sich; ich selbst nur siebzehn. Ich will nicht, dass ihre Erinnerungen mich allein aufgrund der bloßen Menge überspülen.«
»Ich verstehe«, sagte Shay. Erwirkte besorgt. »Ich weiß, dass du noch andere Erinnerungen hast, aber kommt es dir so vor, als würdest du deine eigenen verlieren?«
»Wie kann ich das wissen? Kannst du dich an Dinge erinnern, die du vergessen hast?«
»Vielleicht solltest du Aufzeichnungen darüber machen?«
»Lieber möchte ich wieder einen Flaschengeist haben«, sagte Jandra.
Als sie das Ufer verließen, bekamen die Äste und Zweige eine geisterhafte weiße Blässe, als wären sie in Baumwolle gekleidet. Erst, als Shay einen davon anfasste, begriff er, dass beinahe jede Oberfläche in diesem toten Dschungel mit einer Schicht Schimmel überzogen war.
Er rieb sich den Dreck an der Hose ab und beeilte sich, Jandra einzuholen. Sie bahnte sich vorsichtig ihren Weg über herabgefallene Äste, während sie auf etwas zuhielt, das wie die rebenumrankten Ruinen einer uralten Zivilisation wirkte. Sie
ging zuversichtlich darauf zu, und dann begannen die Steine sich zu verlagern und eine Treppe zu bilden, die hinunter in die Erde führte.
Trockene, frische Luft wehte von der Treppe hoch; eine willkommene Abwechslung zu der stinkenden Feuchtigkeit des verrottenden Dschungels. Am Fuß der Stufen glitt eine Eisentür auf, als Jandra sich näherte. Dahinter herrschte strahlende Helligkeit. »Und wenn da noch mehr Wachen sind?«, fragte Shay im Flüsterton. »Hältst du es für sicher hier?«
»Es hat nur dreizehn Reiter gegeben, weil ich nur dreizehn Langwyrmer gemacht habe«, antwortete Jandra. »Das hier waren ihre Unterkünfte. Sie sind jetzt verlassen.«
Shay wollte sie darauf hinweisen, dass sie »Ich« gesagt hatte, als sie »Jazz« meinte, aber dann hielt er sich zurück, um sie nicht weiter zu beunruhigen.
»Wir beide haben gestern drei getötet, und Bitterholz damals zwei am Strand. Sechs sind bei der Schlacht am Stinktierloch getötet worden, und wie Bitterholz mir erzählt hat, hat er einen in Großschleck getötet. Das macht alles zusammen zwölf. Adam ist der Einzige, der noch übrig ist. Wenn ich richtig rechne, gibt es noch vier Langwyrmer, deren Verbleib wir nicht kennen. Vielleicht weiß Adam, wo sie
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