Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
sich die westliche Straße entlang. Vielen war es egal, ob Menschen oder Drachen ihre Waren kauften.
An der südlichen Seite von Drachenschmiede befand sich ein Fluss. Vor langer Zeit einmal war ein Kanal gegraben worden, der Wasser in die Stadt leitete, das dort über ein Wasserrad die Blasebalge der Gießereien mit der nötigen Kraft versorgte. Mit dem Wasser wurden auch die Abflussrinnen und -kanäle der Stadt geflutet – eine schlichte, aber sehr wirkungsvolle Einrichtung. Zusätzlich zu diesem Gewässer konnte Vulpinus einen großen Brunnen in der Mitte der Stadt ausmachen. Die Rebellen würden nicht verdursten. »Mit den richtigen Augen kann man eine Stadt als Herz sehen. Die Straßen und Flüsse sind die Arterien und Venen; in ihnen fließt das Lebensblut, und sie schaffen den Abfall weg. Verschließe die Straßen, und die Stadt stirbt.«
»Aber inzwischen werden die Rebellen sich mit Vorräten eingedeckt haben. Sie könnten Wochen, sogar Monate aushalten.«
»Und seit wann leidet die Welt an einem Mangel an Wochen und Monaten?«, fragte Vulpinus.
Balikan schloss den Mund wieder; er fühlte sich aufrichtig getadelt.
»Wie auch immer, ich glaube nicht, dass sie Wochen aushalten werden«, sagte Vulpinus. »Den Menschen fehlt im Gegensatz zu uns Himmelsdrachen die Fähigkeit zu langfristigen Planungen. Wenn sie es mit einer Blockade zu tun haben und ihre Nahrungsmittel und andere Vorräte schwinden, werden sie sich in nicht allzu langer Zeit ergeben, besonders dann, wenn die Pest ausbricht.«
»Sofern die Pest ausbricht«, sagte Balikan. »Es sieht so aus, als würden sie die Stadt ziemlich gut sauber halten.«
»So etwas muss man nicht dem Zufall überlassen«, sagte Vulpinus. »Statten wir dem Nest einen Besuch ab. Es befindet sich weniger als dreißig Meilen von hier, und ein paar Dutzend Walküren können mit Leichtigkeit die Straße nach Westen verschließen und die Stadt von der Versorgung mit Kohle abschneiden. Die Maschinenbauer der Walküren könnten auch dafür sorgen, dass der Kanal behindert wird, der in die Stadt führt. Anschließend werden wir die Schmiedestraße zurück zum Palast fliegen, um uns mit Chapelion zu beraten und von ihm die Bevollmächtigung zu bekommen, alle Dinge zusammenzutragen, die ich brauche, um dieses Problem in seinem Kern zu lösen.«
»Wird er uns diese Bevollmächtigung geben? Wir sind Sklavenjäger, keine Soldaten.«
»Wenn ich ihm erkläre, dass sich seine Bücher in der Festung befinden«, sagte Vulpinus, »wird er mir auch den letzten Soldaten im ganzen Königreich geben.«
Kapitel Vier
Phantome
S hay trank einen Schluck von dem dampfenden Sassafras-Tee. Der Lakritzgeschmack öffnete seine Nebenhöhlen und reinigte seine Ohren, so dass er besser verstehen konnte, was Burke Anza zuflüsterte. Es war nicht seine Absicht zu lauschen, aber im Laufe der Jahre hatte er sich angewöhnt, bei Unterhaltungen, die im Flüsterton geführt wurden, aufmerksam zu werden. Sämtliche politischen Entwicklungen und Intrigen, die mit einem Drachen von Chapelions Rang zu tun hatten, entfalteten sich in Wispern und Nicken. Obwohl er also auf einem Holzstuhl beim Feuer saß und Burke und seine Tochter sich auf der anderen Seite des Obergeschosses unterhielten, konnte er ihre Worte so deutlich hören, als würde er direkt neben ihnen stehen.
»Von verschiedenen Flüchtlingsgruppen wissen wir, dass die Erddrachen die Dörfer der Menschen plündern.« Burke schob ihr ein zusammengefaltetes Stück Pergament zu. »Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie zur Schenke kommen. Gib das hier Dorny. In der Schenke befinden sich Werkzeuge, die ich brauche, ebenso wie meine Notizbücher. Er soll sie mir bringen«
Anza zog ein finsteres Gesicht und machte eine Geste, die Shay nicht verstand.
Burke zuckte müde mit den Schultern. »Dann wird er wohl zusehen müssen, dass er nüchtern wird. Du musst bei Jandra und Shay bleiben. Wenn einem von beiden etwas passiert, dann sorge dafür, dass die Gewehre nicht in die Hände der Drachen fallen.«
Anzas Gesicht wurde freundlicher.
»Dorny wird nicht allein kommen. Sag den Dorfbewohnern, dass es an der Zeit ist, mir in Drachenschmiede Gesellschaft zu leisten.«
Anza nickte. Sie wirkte ernst. Shay stellte fest, dass die große, dunkelhäutige Frau in dem Hirschleder ihn faszinierte. Er hatte allerdings noch kein Wort von ihr gehört. Gewöhnlich hätte er deshalb vermutet, dass sie taub war, oder vielleicht geistesschwach. Aber sie folgte Burkes
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