Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
hatte, damit sie für immer als Krieger gekennzeichnet waren.
»Ich grüße dich, Krieger«, rief Vulpinus dem Anführer der Gruppe zu. Sagen war ein gutes Exemplar seiner Rasse; seine Muskeln bewegten sich unter den azurblauen Schuppen wie
eine genau eingestellte Maschine. Sagen war das Produkt eines der geachtetsten Stammbäume der Himmelsdrachen – der von Vulpinus selbst. Die Fortpflanzung der Himmelsdrachen wurde streng kontrolliert; sämtliche Verbindungen wurden von der Matriarchin gelenkt, um nur die wertvollsten Merkmale der Rasse der Himmelsdrachen zu bewahren. Himmelsdrachen wuchsen streng gemeinschaftlich auf; sie bildeten keine Familieneinheiten wie die Menschen oder die Sonnendrachen. Wenn auch die meisten Himmelsdrachen ihre Ahnenreihe kannten, galt ihre Loyalität doch der Rasse und nicht ihren Verwandten. Dennoch hatte Vulpinus stets ein Interesse an seinen vielen Nachkommen, und Sagen machte ihn besonders stolz, da er den Pfad des Kriegers eingeschlagen und bei der Luftwache einen rasanten Aufstieg hingelegt hatte.
Vulpinus und Sagen begannen, sich im Kreis umeinander herumzubewegen, der nur wenig größer war als ihre hintereinander gelegten Flügelspannen, während die anderen Wachen um sie herum einen größeren Kreis bildeten.
»Sir«, sagte Sagen mit einem respektvollen Nicken. »Was ist der Grund für diesen Besuch?«
»Ich bin hier, um den Hohebiologen aufzusuchen«, sagte Vulpinus.
»Androkom ist zur Zeit … unpässlich«, sagte Sagen.
»Du kannst ruhig die Wahrheit sagen«, sagte Vulpinus. »Ich weiß, dass Androkom entweder tot oder eingekerkert ist. Chapelion müsste bereits vor Tagen mit einer Schwadron Walküren vom Nest hier aufgetaucht sein, um ihn zu stürzen. Die Matriarchin hat sich gegen die Ernennung von Androkom zum Hohebiologen ausgesprochen, wegen seines zweifelhaften Stammbaums. Ihre Wahl war Chapelion; ich vermute, dass du jetzt ihm dienst, auch wenn ich verstehe, dass er möglicherweise noch nicht bereit ist, diese Neuigkeit öffentlich zu verkünden.«
Sagen blickte gedankenvoll drein, während er weiter seinen Kreis flog und über eine Antwort nachdachte. Vulpinus vermutete, dass sein Sohn den Befehl hatte, nicht zuzugeben, dass Chapelion seinen Schachzug erfolgreich durchgeführt hatte. Schließlich erklärte Sagen: »Ich kann deine Spekulationen nicht bestätigen. Chapelion weilt zur Zeit als Gast im Palast; so viel kann ich sagen. Und ich kann dich selbst mit einer sicheren Eskorte zu ihm bringen.«
»Natürlich«, sagte Vulpinus, und die beiden lösten sich aus ihrem Kreis. Sagen rief den anderen Wachen Befehle zu, dann flog er voraus zu dem großen, offenen Amphitheater, das dem Sonnendrachen als Thronsaal diente.
Vulpinus breitete seine Schwingen aus und neigte sich etwas nach hinten, um langsamer zu werden; er schlitterte etwas plump, als er auf dem polierten Marmorboden landete. Der nächtliche Flug hatte ihn ermüdet, und über seiner Schulter hing zudem die schwere Waffe, die er Shay abgenommen hatte und die ihm das Gleichgewicht zu rauben drohte. Das Amphitheater war ein Kuppelgebäude, das halb überdacht und nach Westen hin offen war, was bedeutete, dass der Raum selbst am frühen Morgen immer noch im Schatten lag. Fackeln säumten die Mauern und flackerten in der Brise, die sie bei ihrer Landung verursachten.
Am Ende der Halle saß eine vertraute Gestalt auf einigen goldenen Kissen, die groß genug für einen Sonnendrachen war: Chapelion, Leiter des Kollegs der Türme. Links und rechts von ihm befanden sich zwanzig Walküren, weibliche Himmelsdrachen, die sich den Kriegskünsten verschrieben hatten.
Chapelion war sieben Jahre jünger als Vulpinus, auch wenn ein oberflächlicher Betrachter dies vielleicht nicht erkennen mochte. Vulpinus hatte viel Zeit an der frischen Luft verbracht; dies und die viele Bewegung hatten dazu geführt, dass er stärker
war als viele andere Himmelsdrachen seines Alters. Zudem hatte ihm die Tatsache, dass er sein ganzes Leben der Jagd gewidmet hatte, geschärfte Sinne beschert. Chapelion, der sein Leben bei einer eher sitzenden Tätigkeit in Räumen geführt hatte, war dickbäuchig und hatte spindeldürre Arme. Vom ständigen Lesen bei Lampenlicht waren seine Augen schwach geworden, was er mit einer eigens für ihn hergestellten Brille ausglich, die auf seiner breiten Schnauze ruhte.
Chapelion beugte sich über mehrere große Pergamentrollen, die auf dem Boden neben ihm ausgebreitet lagen. Drei jüngere
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