Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
wenigen Menschen geplündert worden, die noch in der Gegend geblieben waren. Alles war verschwunden, was irgendwie von Wert gewesen war. Als Flitzer sie jetzt nach Wickelstein trug, sah er, dass die Stadt wieder bewohnt war. Ängstliche Gesichter blinzelten hinter zerfetzten Vorhängen hervor. Aus den Angeln gerissene Türen waren geflickt und repariert worden und hielten wieder die Winterkälte fern. Rauch stieg von den Kaminen zumindest der Hälfte der Häuser auf. Es war beinahe Abendbrotzeit, und in der Luft hing der Geruch von Maisbrot. Es wurde in holzbefeuerten Öfen gebacken, auf denen Töpfe mit Kartoffeln und Bohnen köchelten, sofern seine Nase ihn nicht täuschte.
In der Mitte der Stadt befand sich ein Steinbrunnen mit einem Schindeldach. Ein Gehweg aus Backstein umgab den Brunnen, um den herum sich einige Blumenbeete befanden, zweifellos mit Narzissen und Schwertlilien bepflanzt. Damals in Christtal hatte Bitterholz vor vielen Jahren einmal geholfen,
einen ähnlichen Brunnen anzulegen. Er und die anderen Männer hatten den Brunnen während des zweiten Dürrejahres gegraben; nichts führt einem die Notwendigkeit von sauberem Wasser so sehr vor Augen wie drei Monate ohne Regen. Als er diesen Brunnen gegraben hatte, war er davon ausgegangen, dass er bis zu seinem Lebensende aus ihm trinken würde. Er hätte es sich in Christtal gut gehen lassen und zufrieden sein können, beschäftigt mit der Ernte und bestrebt, seine Familie zu ernähren. Er hätte sich an den Winterabenden an einer Feuerstelle wärmen können, mit einem Becher heißem Apfelwein in der Hand. Doch Christtal war von Drachen zerstört worden, und er hatte die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, diese Tat zu rächen.
Was hatte es ihm eingebracht? Er war eine Legende. Drachen erzitterten bei seinem Namen. Menschen sahen ihn als Helden. Er hätte diesen Ruhm – oder diese Schande – gern gegen ein unauffälliges Leben als Bauer und Vater eingetauscht.
Flitzer trug sie zum Brunnen, streckte seine Schnauze hinein und schnüffelte.
»Ich vermute, er ist durstig«, sagte Shay. Der junge Mann saß auf dem Sattel gleich hinter ihm und wandte sein Gesicht ab. Er wich jetzt jedem Blickkontakt mit Bitterholz aus; entweder aus Furcht oder, was wahrscheinlicher war, vor Wut wegen der verbrannten Bücher. Hinter Shay saß Jandra; sie wirkte müde und mitgenommen. Früher hatte Jandra ihre Magie benutzt, um stets für ein makelloses Aussehen zu sorgen, aber seit dem Verlust ihrer Macht war sie etwas heruntergekommen. Ihre Haare hingen in fettigen Strähnen über ihre Schultern. Ihr blauer Umhang, der noch vor zwei Tagen frisch gewesen war, war voller Kletten, und Matsch sprenkelte ihre Stiefel und die Hose. Sie saß zusammengesunken in ihrem Sattel. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe.
Auf ihrer Schulter saß Echs; der kleine Erddrache hatte seine Farbe geändert, um sich Jandras braunen Haaren anzupassen, abgesehen von den Füßen und dem Schwanz, die so blau waren wie ihr Umhang. Bitterholz sah den kleinen Drachen finster an. Der Drache wandte seinen Blick ab und glitt hinter Jandras Rücken.
Hinter Jandra saß Ferkelchen. Das Schwein hatte zur Zeit eindeutig einen Wachstumsschub. Es wirkte heute sogar größer als am Tag zuvor. Ferkelchens gerade erst herausgekommene Hauer verliehen ihm einen Ausdruck, als würde er ständig grinsen. Im Gegensatz zu Echs wandte Ferkelchen seinen Blick nicht ab. Die Augen des Schweins waren hinter dem Silbervisier verborgen, aber Bitterholz konnte seinen abschätzenden Blick spüren. Er war nie gut mit Ferkelchen zurechtgekommen.
Im letzten Sattel befand sich diejenige, wegen der Bitterholz Ferkelchen noch nicht in einen Schinken verwandelt hatte. Zeeky saß mit gekreuzten Beinen im Sattel und starrte auf die Kristallkugel in ihrem Schoß. Sie war nicht warm genug angezogen, dachte Bitterholz. Sie hatte nur eine dünne Decke als Umhang über einem Hemd und einer Hose, die kaum mehr als Lumpen waren. Aber der Blick, mit dem sie in die Glaskugel starrte, grenzte an Heiterkeit. Was immer sie darin sah oder hörte, schien sie glücklich zu machen.
Zeeky sah nicht auf, als sie sprach. »Gebt Flitzer etwas Wasser, bitte.« Der Langwyrm starrte mit einem Blick auf den Brunnen, der der Begierde so nahe kam, wie es bei einem Reptil überhaupt möglich war.
»Wir haben gerade einen Fluss überquert. Warum hat er da nicht getrunken?«
»Weil hier viele Plumpsklos in den Fluss entleert werden. Der Brunnen dagegen hat
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