Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
hatte die gefährliche Aufgabe gehabt, sich in die Gruppe der Schwestern der Schlange einzuschleusen und Blasphets Geheimnisse auszukundschaften. Burke mochte sie wegen ihres Wagemuts und ihrer Intelligenz, obwohl sie Ragnar mit glühender Leidenschaft ergeben war. Dass sie Drachenschmiede erobert hatten, war möglicherweise mehr den
Giften zu verdanken, die Shanna gestohlen hatte, als den Himmelsmauerbogen. Shanna hatte Drachenschmiede verlassen, kurz nachdem die Drachenarmeen geflohen waren, um sich mit den Resten von Blasphets Kult zusammenzutun. Blasphet war tot, von Bitterholz umgebracht, aber die Anbeter des Mördergottes besaßen noch Wissen über einen riesigen Bestand an verschiedenen Giften, das sich in dem bevorstehenden Krieg als nützlich erweisen mochte. Burke stützte sich auf seine Krücke und bog auf die Straße ein, um der Menge zu folgen.
Schon bald konnte er den Hauptplatz sehen. Eine Frau in einem schweren, weißen Umhang stand auf dem breiten Rand des steinernen Stadtbrunnens. Burke vermutete, dass es Shanna war, obwohl die Sonne von dem blendend weißen Umhang zurückgeworfen wurde und es schwermachte, Genaueres zu erkennen. Das Gesicht war von einer tiefen Kapuze verborgen.
Hunderte von Menschen hatten sich auf dem Platz versammelt. Wer achtete auf die Schmiede, wenn alle hier draußen waren? Er sah sich um und stellte fest, dass die Bogenschützen, die auf den Mauern standen, neugierig geworden waren und hinunter in die Festung blickten, statt ihre Aufmerksamkeit auf mögliche heimtückische Angriffe der Drachen zu richten. Was tat Shanna nur? Womit verschaffte sie sich einen derart spektakulären Auftritt, als sie jetzt zurückkehrte?
»Tretet zur Seite.« Die Menge teilte sich, als er auf seiner Krücke vorbeihüpfte. Obwohl er halb verkrüppelt war, wurde er in Drachenschmiede noch immer geachtet. Er hatte mit den Himmelsmauerbogen seinen Wert bewiesen; Dutzende der hier stehenden Männer hatten das Schießen mit den Schrotflinten geübt oder die ersten Kanonenschüsse miterlebt. Dennoch – vielleicht war es auch nur seine Einbildung – spürte er Unsicherheit bei den Leuten, als sie ihn ansahen. »Es wird behauptet, Ihr würdet nicht an Gott glauben«, hatte Steinmauer
gesagt. Sicher nicht das gesündeste Gerücht, wenn man sich mitten in einem heiligen Krieg befand.
Als er beim Brunnen ankam, teilte sich die Menge auf der anderen Seite; Ragnar, der Prophet des Herrn, trat hindurch. Burke war ihm seit der Auseinandersetzung um Jandra aus dem Weg gegangen. Die Augen des haarigen Propheten wurden schmal, als er Burke sah. Inzwischen hatte er gesehen, wie die Kanonen funktionierten. Burke war zuversichtlich, dass er für Ragnar noch immer zu wertvoll war, als dass er ihn hätte beseitigen können. Nachdem Ragnar ihn eine Weile finster angeblickt hatte, verwandelte sich seine Miene in ein Lächeln.
Der Brunnen war einen Schritt hoch. Shanna stand darauf und war damit ein gutes Stück größer als Ragnar und sogar Steinmauer, der sich hinter dem Propheten auftürmte.
»Shanna«, sagte Ragnar mit unerwartet weicher Stimme. »Ich bin froh, dass du wohlbehalten zurückgekommen bist. Ich bin neugierig darauf zu erfahren, wie du durch die Blockade gelangen konntest. Gehen wir in mein Haus, damit wir in Ruhe darüber reden können, was du herausgefunden hast.«
Shanna schob die Kapuze zurück. Burke blinzelte und schob die Brille die Nase hoch. War das wirklich Shanna? Das Gesicht passte, es waren auch die gleichen Lippen und Augen, der gleiche Gesichtsschnitt. Aber Shanna hatte eine deutliche, schwarze Tätowierung auf ihrem Körper gehabt, eine Schlange hatte sich über Hals und Schulter geschlängelt, und ihr Kopf war rasiert gewesen. Jetzt hingen pechschwarze Haare über ihre Schultern. Eine Perücke vielleicht? Auf ihrem schneeweißen Hals waren keinerlei Spuren von der Schlangentätowierung zu sehen.
»Ich möchte, dass alle meine Botschaft hören«, sagte Shanna. »Es gibt keine Notwendigkeit mehr für einen Krieg! Vor nicht allzu langer Zeit habe ich vorgegeben, dem Mördergott zu dienen. Ich habe meinen Körper tätowiert und vernarbt, um
meine Loyalität zu beweisen. Ihr könnt alle sehen, dass meine Tätowierungen verschwunden sind. Und auch meine Narben sind weg, sowohl die körperlichen als auch die seelischen.«
Sie rollte den Ärmel hoch und zeigte ihren Unterarm. Ragnar runzelte die Stirn. Burke hatte Shanna nicht gut genug gekannt, um zu wissen, ob sie dort hätte eine
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