Die Herrschaft der Orks
für ein fauler Zauber, Elfenweib?«
»Kein Zauber, nur der Lauf der Zeit«, versicherte Alannah. »Alles geht den Weg des Sterblichen, Rammar. Alles …«
Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihr Kleid, das eben noch so strahlend weiß gewesen war, dass es in Rammars eitrigen Augen geschmerzt hatte, stumpf und grau wurde. Und damit nicht genug, schien die Elfin plötzlich rapide zu altern.
Ihr Haar wurde schneeweiß, dann fiel es aus, ihr Gesicht wurde schmaler und schmaler, bis schließlich der blanke Knochen hervortrat. Es ging so schnell, dass Rammar kaum begriff, was geschah – plötzlich stand ein Skelett vor ihm, das sich noch einen Moment aufrecht auf den Beinen hielt, ehe es klappernd zusammenbrach.
»Dhruurza!« , rief Rammar erschrocken aus und fuhr zurück. Seine dicken Knie zitterten, und er wollte sich auf den Thron fallen lassen – aber der war plötzlich nicht mehr da!
Rammar stürzte und ging fluchend zu Boden. Infolge seiner Leibesfülle gelang es ihm nicht sofort, sich wieder auf die Beine zu raffen, was ihn nur noch mehr in Panik versetzte.
»Balbok!«, schrie er aus Leibeskräften. »Komm her und hilf mir, du nichtsnutzige Ausgeburt von …«
Er verstummte, als er bemerkte, dass nicht nur der Thron verschwunden war, sondern auch das Gewölbe um ihn herum. Stattdessen fand sich Rammar plötzlich unter freiem Himmel wieder, auf dem Grund eines Tales, das von grünen Hängen umgeben war. Balbok war da, aber er wandte ihm den Rücken zu, ebenso wie die faihok’hai , die in einem weiten Kreis Aufstellung genommen hatten und zu den grasgrünen Hängen emporstarrten. Was, bei Torgas Eingeweiden, hatte die Elfin nun wieder angestellt, fragte sich Rammar. Wohin hatte sie …?
Sein Herzschlag wollte aussetzen, als er merkte, dass die umliegenden Hänge keineswegs grün von Gras waren – sondern von Tausenden und Abertausenden von Leibern, die wild durcheinanderwimmelnd zu Tal stürmten.
Gnomen!
Eine Invasion von Gnomen!
Mit wenigen gehetzten Blicken hatte Rammar den Ernst der Lage erfasst. Um vorauszusehen, wie ein Kampf von einer Handvoll Orks gegen unzählige Gnomen ausgehen würde, brauchte man kein foukor zu sein. Darüber, wie er hierhergekommen war, konnte er sich später den Kopf zerbrechen – von hier zu verschwinden hatte im Augenblick Vorrang!
Er wollte herumfahren und auf seinen kurzen Beinen die Flucht ergreifen, als seine Leibwächter ihm zuvorkamen. Die ersten Gnomen hatten soeben die Talsohle erreicht, als die faihok’hai unter lautem Geschrei die Waffen wegwarfen und die Flucht ergriffen – genau wie am Nachmittag, als das fremde Ding am Himmel erschienen war. Und genau wie am Nachmittag war Balbok der Einzige, der sich den Angreifern mutig entgegenstellte, breitbeinig und mit kampfbereit erhobenem …
Rammar stutzte.
Eben noch hätte er jeden Eid geschworen, dass sein Bruder einen saparak in den Klauen hielt. Doch wie er nun feststellen musste, war es der bhull . Der abgewetzte Trollschädel grinste gleichmütig, während Balbok antrat und ihn mit aller Kraft den angreifenden Gnomen entgegenschmetterte. Wo der Schädel landete, bekam Rammar nicht mehr mit, denn er hatte sich bereits abgewandt und rannte in wildem Schweinsgalopp die Talsohle entlang, schon nach wenigen Schritten pfeifend wie ein löchriger Blasebalg.
Wohin sollte er nur?
Egal, wo er hinsah, überall wälzten sich Scharen von Gnomen die Hänge herab, einer grünen Flut gleich, die jeden Augenblick das Tal überschwemmen würde. Rammar glaubte, von irgendwo hektischen Trommelschlag zu hören, bis ihm klar wurde, dass es sein eigenes Herz war, das so laut schlug wie eine Kesselpauke und ihm das Gefühl gab, als wolle seine Brust zerbersten.
Der Atem wurde ihm knapp, aber er rannte immer weiter, so schnell seine kurzen Beine ihn trugen – und plötzlich öffnete sich ihm ein Ausweg!
Unvermittelt tat sich ein Hohlweg auf, der aus der Talsohle zu führen schien – wohin, das wusste Rammar nicht, dennoch lenkte er seine immer langsamer werdenden Schritte hinein, während die grünen Wogen der Angreifer hinter ihm zusammenschlugen und alles unter sich begruben. Nur Balbok war in der Ferne noch zu sehen, einsam ragte er aus der Masse wie zum Denkmal versteinert.
Rammar fand das nicht im Geringsten verwunderlich, im Gegenteil, seine Angst steigerte sich noch, denn er wollte nicht ebenfalls versteinern und zu einem Denkmal werden, zu einem leblosen Etwas, das nur in der Vergangenheit existierte. Er
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