Die Herrschaft der Orks
erste Opfer.«
»Der Regen wird uns helfen«, erklärte Dag. »Wegen der Wolken wird kein Mond am Himmel zu sehen sein, und die Wachen auf der anderen Seite des Flusses haben Schwierigkeiten, die Fackeln am Brennen zu halten. Das ist unsere Gelegenheit, ungesehen hinüberzugelangen.«
»Du willst den Fluss durchqueren? Ausgerechnet hier?«
»Dies ist die günstigste Stelle. Dort unten gibt es eine Furt, und die Wachtürme stehen weniger dicht als anderswo. Oder würdest du dein Glück lieber weiter östlich versuchen, wo sich eine ganze Garnison befindet? Wir wären mit Pfeilen gespickt, noch ehe wir die andere Seite erreicht hätten.«
»Großartig«, machte Rammar verächtlich.
»Wir warten ab, bis es dunkel geworden ist, dann setzen wir über. Bis dahin werden wir uns ausruhen und ein wenig stärken.«
»Großartig«, wiederholte Rammar und ließ sich lustlos auf seinen breiten asar fallen. Dann nahm er seinen Proviantsack ab, öffnete ihn und nahm ein Stück Dörrfleisch heraus, in das er seine Hauer schlug. »Ich kann nur hoffen, Geheimniskrämer, dass sich die ganze Mühe auch lohnt«, meinte er schmatzend. »Wenn ich am Ende dieser Reise nicht das dämliche Buch in den Klauen halte, sondern nur eine deiner Lügengeschichten, kannst du was erleben!« Ein Regenschwall rann ihm in den Hals hinunter und ließ ihn in eine weitere wüste Verwünschung ausbrechen, sodass er Dags kurzes Zögern nicht bemerkte.
»Aber natürlich«, versicherte der Mensch lächelnd. »Das wirst du, so wahr ich Dag der Erfinder bin.«
Das trübe Band im Westen verblasste, und es war, als schließe sich eine gewaltige Pforte, als Horizont und Wolken einander berührten und das Land von einem Augenblick zum anderen in Dunkelheit versank.
»Drashda« , gab Balbok das Kommando zum Aufbruch. »Es ist so weit.«
»Ich sage, wenn es so weit ist, umbal «, wies Rammar ihn zurecht, der sein Gesicht einigermaßen vom Schlamm befreit hatte. Unter einigem Stöhnen brachte er die kurzen Beine unter seinen feisten Körper und erhob sich schwerfällig. »Jetzt ist es so weit«, gab er bekannt.
»Also los.« Dag übernahm die Führung, und Rammar hatte nichts dagegen einzuwenden – was immer geschah, sollte zuerst dem Menschen zustoßen.
In gebückter Haltung huschten sie die andere Seite des Höhenzugs hinab, die glücklicherweise weniger steil war, sodass Rammar eine weitere entwürdigende Rutschpartie erspart blieb. Die Nacht war so mondlos und dunkel, wie Dag es angekündigt hatte, sodass sie hoffen konnten, von der anderen Seite aus nicht entdeckt zu werden. Der Nachteil war, dass auch sie selbst nur wenige Schritte weit sehen konnten, nicht nur der Dunkelheit wegen, sondern auch infolge des noch immer wütenden Regens.
Endlich erreichten sie das Ufer. Der Fluss mochte an dieser Stelle an die zweihundert Schritt breit sein und hatte nichts mehr gemein mit dem kristallklaren Quell, als der er in den Gebirgen des Nordwalls entsprang – als teerig schwarzes Band lag er vor ihnen, auf das unablässig und mit lautem Rauschen der Regen niederprasselte. Dag ließ sich davon nicht einschüchtern und stieg in das dunkle Wasser, das ihm schon nach wenigen Schritten bis zur Hüfte reichte. Balbok folgte ihm ohne Zögern, nur Rammar blieb ein wenig unschlüssig am Ufer stehen.
»Und du bist sicher, dass es hier eine Furt gibt, Mensch?«, fragte er misstrauisch. »Ich habe keine Lust, jämmerlich abzusaufen, nur um dein Weib zu befreien.«
»Er kann nämlich nicht schwimmen«, fügte Balbok mit einer entschuldigenden Geste hinzu.
»Was soll das heißen, er kann nicht schwimmen?«
»Na, was es eben heißt«, zischte Rammar. »Und? Die meisten Orks können nicht schwimmen.«
»Ich schon«, wandte Balbok ein.
»Kein Wunder – dein hohler Schädel schwimmt wie ein Korken obenauf.«
»Fett aber auch«, kam es zurück, leise und ein wenig trotzig.
»Was hast du gesagt?« Die Zornesbräune schoss Rammar ins Gesicht, und in der Absicht, seinem vorlauten Bruder den beul zu stopfen, sprang er in die Fluten. »Du elender umbal ! Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht …«
»Ruhe, ihr beiden!«, zischte Dag. »Oder wollt ihr unbedingt, dass man uns entdeckt?«
Rammar verstummte – nicht ohne sich vorzunehmen, seinem Bruder auf der anderen Seite des Flusses gehörig in den asar zu treten, und das anmaßende Milchgesicht gleich mit.
Bis dahin war es jedoch noch ein weiter Weg.
Mit ungutem Gefühl setzte Rammar einen Fuß vor den
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