Die Herrschaft Der Seanchane
verschneiten Straßen auseinandersetzen mussten, und einige von ihnen kamen von weither.
Eine stämmige Domani mit einem dunklen Schönheitsfleck auf der kupferfarbenen Wange, die einen Zug von vier Wagen anführte, zog ihren geblümten Umhang enger um sich und starrte einen Mann finster an, der fünf Wagen voraus neben dem Kutscher saß, einen schmierig aussehenden Burschen, der hinter einem tarabonischen Schleier einen langen, dicken Schnurrbart verbarg. Zweifellos ein Konkurrent. Eine schlanke Kandori mit einer großen Perle in ihrem linken Ohr und Silberketten über der Brust saß ruhig in ihrem Sattel, die behandschuhten Hände auf dem Sattelknopf gefaltet; vermutlich wusste sie noch nicht, dass ihr grauer Wallach und ihre Zugtiere nach ihrem Eintreffen in der Stadt der Lotterie zugeteilt werden würden. Den Einheimischen hatte man jedes fünfte Pferd abgenommen und um den Handel nicht zu stören, nahmen sie bei den Ausländern jedes zehnte Pferd. Man hatte dafür bezahlt, das schon, und zu anderen Zeiten wäre es ein gerechter Preis gewesen, aber es war nicht annähernd das, was der Markt bei dieser Nachfrage erzielen würde. Mat bemerkte Pferde immer, selbst wenn er mit den Gedanken woanders war. Ein fetter Cairhiener, dessen Mantel die gleiche graubraune Farbe wie die seiner Fahrer aufwies, brüllte wütend wegen der Verzögerung herum und ließ seine kastanienbraune Stute nervös umhertänzeln. Die Stute hatte einen guten Körperbau. Sie würde wahrscheinlich an einen Offizier gehen. Was würde geschehen, wenn die Würfel zu rollen aufhörten?
Die großen Stadttore hatten ihre Wächter, obwohl vermutlich nur die Seanchaner sie als solche erkannten. Sul'dam in ihren blauen Gewändern schlängelten sich mit grau gekleideten Damane an den silbrigen A'dam durch den Verkehrsstrom. Nur ein Paar hätte ausgereicht, um jeden Tumult bis hin zu einem Frontalangriff zu unterdrücken - und vielleicht sogar den -, aber das war nicht der wahre Grund für ihre Anwesenheit. In den ersten Tagen nach dem Fall von Ebou Dar - während Mat noch bettlägerig gewesen war -hatten sie die Stadt auf der Suche nach Frauen durchkämmt, die sie Mamth'damane nannten, und jetzt sorgten sie dafür, dass keine hereinkam. Jede Sul'dam trug für alle Fälle eine zusätzliche Leine über der Schulter. Weitere Paare patrouillierten auf den Docks und kümmerten sich um jedes eintreffende Schiff und Boot.
Neben dem breiten Stadttor stellten zwanzig Fuß hohe Spieße auf einer langen Plattform die geteerten, aber noch immer erkennbaren Köpfe von über einem Dutzend Männer und zweier Frauen zur Schau, die der seanchanischen Justiz zum Opfer gefallen waren. Über ihnen hing das Symbol für diese Justiz, eine Scharfrichteraxt mit schräger Klinge, deren Schaft in eine kompliziert geknotete Schnur gehüllt war. Ein Schild unter jedem Kopf verkündete das Verbrechen, dessen der Delinquent überführt worden war, Mord oder Vergewaltigung, gewalttätiger Raub, Angriff auf einen Angehörigen des Blutes. Geringere Vergehen wurden mit Geldstrafen oder Auspeitschen bestraft oder man wurde zu Da'covale gemacht. Da entschieden die Seanchaner von Fall zu Fall. Vom Blut war keiner zu sehen - diejenigen von ihnen, die die Hinrichtung verdienten, würde man nach Seanchan zurückschicken oder mit der weißen Schnur erdrosseln -, aber drei der Verurteilten waren Seanchaner, und die Wucht ihrer Justiz fiel auf die oberen wie auch auf die unteren Schichten. Zwei Schilder mit der Aufschrift REBELLION hingen unter den Köpfen der Frauen, die die Herrin der Schiffe des Atha'an Miere und ihre Herrin der Klingen gewesen waren.
Mat war oft genug durch das Tor gegangen, um das Schauspiel kaum noch wahrzunehmen. Olver hüpfte an ihrer Seite und sang ein Kinderlied. Beslan und Thom hatten die Köpfe zusammengesteckt, und einmal schnappte Mat die Worte ›riskante Sache‹ von Thom auf, aber ihm war egal, worüber sie sprachen. Dann waren sie in dem langen, düsteren Tunnel, in dem die Straße durch die Mauer führte, und der Lärm der passierenden Wagen hätte jedes Zuhören auch dann unmöglich gemacht, wenn er es gewollt hätte. Sie hielten sich dicht an der Wand, so weit wie möglich von den Wagenrädern entfernt; Thom und Beslan gingen voraus und unterhielten sich leise, und Olver lief hinter ihnen her, aber als Mat wieder ins Tageslicht trat, rannte er in Thom hinein, bevor er bemerkte, dass sie alle direkt neben der Tunnelmündung stehen geblieben waren. Er wollte
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