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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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vermeintliche Peter III. in Wahrheit war: ein Schwindler und Ehebrecher, der inzwischen mit einer anderen Frau zusammenlebte.
    Im Frühjahr 1774 schien sich das Blatt zu wenden. Anfang April besiegten die zaristischen Truppen die Baschkiren in der Nähe von Ufa. Mehr als 2000 Rebellen wurden getötet oder gefangen. Hunderte Kilometer südlich geriet auch Pugatschow selbst in Schwierigkeiten. Vor den Toren Orenburgs, das die Aufständischen seit sechs Monaten belagerten, wurde er geschlagen, verlor 5500 Mann und entkam nur knapp. Zwei Wochen später verlor der Rebellenführer die nächste Schlacht und flüchtete mit nur noch knapp 500 Anhängern Richtung Norden. Orenburg war befreit, doch der Vater des Erfolgs, General Bibikow, starb kurz danach an Fieber. »Der Tod könnte den Aufständischen neuen Mut geben«, notierte der britische Botschafter, als er in der fernen Hauptstadt davon hörte – und behielt recht.
    Wieder konnte Pugatschow binnen kürzester Zeit Tausende Anhänger gewinnen und strategisch wichtige Orte erobern, darunter Kasan, das die Rebellen am 23. Juli 1774 plünderten und in Brand steckten. Immer mehr verlagerte sich der Krieg nun in die Wolga-Region. Um Anhänger anzulocken, machte Pugatschow den Aufstand endgültig zum Klassenkampf. In Manifesten versprach er nicht nur Freiheit »für alle Zeit«, sondern kündigte auch die »Ausrottung dieser verbrecherischen Adeligen« an, die es »zu fangen, zu strafen und zu hängen« gelte. Den Worten ließ er Taten folgen – etwa in Saransk, wo wenig später 60 Adelige aufgeknüpft wurden, darunter Frauen und Greise. Die Kaiserin reagierte und beauftragte General Pjotr Panin mit der Niederschlagung des Aufruhrs, der zeitweise sogar im Hunderte Kilometer entfernten Moskau Besorgnis auslöste. Panin war ein kompromissloser Hardliner aus einer einflussreichen Adelsfamilie, dessen Onkel von den Rebellen ermordet worden war. Von Beginn an setzte er auf blanken Terror. Seine Jagd auf Pugatschow wurde zum Rachefeldzug des Adels.
    »Allen Mördern und ihren Komplizen«, befahl der General in einem von Katharina gebilligten Rundschreiben, »sollen erst die Hände und Füße, und dann ihre Köpfe abgeschlagen werden; ihre Körper sollen auf Blöcken neben Durchfahrtsstraßen platziert werden.« Falls die Täter nicht ermittelt werden könnten, sollten per Losverfahren willkürlich Männer exekutiert werden, um die Dorfgemeinschaft zu zwingen, die wahren Mörder auszuliefern. Die Einschüchterung wirkte. Pugatschow verlor an Rückhalt. Zudem waren viele seiner Bauernkämpfer nur mit Mistgabeln, Keulen und Messern bewaffnet. Gehetzt von den Einheiten des Obersten Iwan Michelson, der ihn schon mehrfach besiegt und wieder aus Kasan vertrieben hatte, musste sich der falsche Zar entlang der Flüsse Sura und Wolga tief in den Süden zurückziehen. Bei Zarizyn, dem späteren Stalingrad, endete sein Aufstand: Im Morgengrauen des 5. September 1774 griffen Michelsons Truppen an, töteten 3000 Rebellen und nahmen 4000 Gefangene. Viele der panisch Flüchtenden ertranken in der Wolga.
    Pugatschow war besiegt und doch entkommen. Mit ein paar Anhängern konnte er in die nahezu wasserlose Kalmückensteppe fliehen. Seine Lage war aber so aussichtslos, dass selbst engste Vertraute den Mut verloren: Um ihr Leben zu retten, lieferten sie Pugatschow Ende September an die Behörden aus. Wenig später wurde der Kosake in einem streng bewachten Holzkäfig Richtung Moskau transportiert und wochenlang verhört. Die Zarin wollte die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Ein Gericht verurteilte Pugatschow und einige Weggefährten zum Tode. Die Hinrichtung im Januar 1775 auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau wurde trotz klirrender Kälte zum Volksspektakel. Pugatschow bekreuzigte sich und bat sein Volk um Vergebung. Dann stürzten sich die Henker auf ihn. »Sie rissen ihm den weißen Schafspelz vom Leib und zerfetzten die Ärmel seines seidenen, himbeerfarbenen Halbkaftans«, notierte ein Augenzeuge. »Und schon schwebte sein blutiges Haupt in der Luft.«
    Es war ein seltsamer Sieg. Adelige Generäle hatten mit leibeigenen Soldaten einen Aufstand der Leibeigenen gegen den Landadel niedergeschlagen. Vermutlich waren etwa 22000 Menschen getötet worden, die meisten davon Rebellen. Rastlos war Pugatschow Tausende Kilometer durchs Land gezogen und hatte dennoch nichts erreicht. Am Ende hatte er sich sogar geografisch im Kreis gedreht: Seine Flucht endet nur rund 400 Kilometer von der Stadt

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