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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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in Dostojewskis Satire »Das Krokodil« für besonders klug. Als seine schuppige Jahrmarktsattraktion einen russischen Hofrat verschlingt, weigert sich der deutsche Besitzer, dem Reptil den Bauch zu öffnen. Der Russe lebt also im Krokodilsmagen weiter, der Deutsche kassiert das Publikum ab.

Leben im Totenhaus
    Weit über eine Million Menschen schickte
das zaristische Russland nach Sibirien. Für viele war
die Verbannung ein qualvoller Weg in den Tod,
für einige eine Reise in ein erträgliches Exil.
    Von Joachim Mohr
    D as erste Opfer der Verbannung im zaristischen Russland soll kein Mensch gewesen sein, sondern die Glocke eines Klosters. Am 15. Mai 1591 kam der jüngste Sohn Iwans IV. , genannt »der Schreckliche«, in der zentralrussischen Stadt Uglitsch ums Leben. Viele Menschen glaubten, der damalige Reichsverweser und spätere Zar Boris Godunow habe den achtjährigen Jungen kaltblütig ermorden lassen, um die eigenen Herrschaftsansprüche abzusichern. Einige aufmüpfige Einwohner läuteten nach dem Tod des Kindes erzürnt und wagemutig die Glocke des örtlichen Klosters, um so einen Aufstand anzuzetteln. Die Rebellion wurde allerdings ruck, zuck niedergeschlagen. Zur Strafe hieben zarentreue Untertanen der Glocke die Henkel ab, als wären es Ohren, und rissen ihr den Klöppel heraus, als wäre er eine Zunge. Anschließend wurde die Glocke nach Tobolsk in Sibirien verbannt. Auch die Meuterer, die das Metall zum Tönen gebracht hatten, mussten zwangsweise gen Osten ziehen.
    Von Beginn des 17. Jahrhunderts an lernten die russischen Zaren die Verbannung als nützliches Herrschaftsinstrument schätzen: Die Monarchen konnten so missliebige Zeitgenossen loswerden und, genauso wichtig, die gewaltige Weite Sibiriens besiedeln. In die Ferne gejagt wurden Räuber und Diebe, Kriegsgefangene, meuternde Soldaten, Kinderschänder, widerspenstige Bauern, Menschen mit dem falschen Glauben oder einer störenden politischen Einstellung. Später kamen, mehr oder weniger wahllos, Meineidige, Verleumder und zahllose Männer und Frauen hinzu, die gegen irgendein Verbot verstoßen hatten, war es auch nur das des Tabakrauchens. Auch wer keine Steuern zahlte oder als Leibeigener ohne Erlaubnis einen Baum fällte, musste mit Verbannung rechnen.
    Doch nicht nur echte oder angebliche Bösewichte wurden deportiert, die Zaren schoben auch zahlreiche Menschen nationaler Minderheiten wie Tataren, Juden oder Kaukasier nach Sibirien ab. Russland stand mit dieser Strafpraxis nicht allein: Großbritannien verschiffte missliebige Untertanen nach Australien, Frankreich schickte sie in sein Übersee-Departement Guayana. Bis zu seinem Ende 1917 wurden im Zarenreich wohl weit über eine Million Menschen in den weiten und kalten Osten des Reiches vertrieben, exakte Zahlen gibt es nicht. Unter den Geächteten waren Geistliche wie der hochgestellte Pope und Führer der sogenannten Altgläubigen Awwakum Petrow, berühmte Schriftsteller wie Fjodor Dostojewski, Revolutionäre wie Michail Bakunin und Leo Trotzki, ebenso Wladimir Iljitsch Lenin, der Führer der Bolschewiki, und der spätere sowjetische Diktator Josef Stalin.
    Im zaristischen Russland wurde Sibirien oft als das »größte Zuchthaus der Welt« bezeichnet, der Direktor der russischen Gefängnisverwaltung nannte es Ende des 19. Jahrhunderts »ein riesiges Gefängnis ohne Dach«. Viele der Verbannten mussten unter unmenschlichen Umständen Zwangsarbeit leisten, für Abertausende endete die erzwungene Reise in einem elendigen Tod. Dostojewski schilderte seine Erfahrungen während knapp vier Jahren Verbannung in einem Buch mit dem Namen »Aufzeichnungen aus einem Totenhaus«. Der russische Zugriff auf Sibirien begann Mitte des 16. Jahrhunderts. Das Gebiet ist riesig: Es erstreckt sich in westöstlicher Richtung über rund 7000 Kilometer vom Ural bis zum Pazifik; noch einmal mehr als 3000 Kilometer sind es vom Nordpolarmeer bis nach China, der Mongolei und Kasachstan. Die Fläche umfasst heute drei Viertel des russischen Staatsgebiets.
    In den meisten Regionen herrscht ein menschenfeindliches Kontinentalklima: Auf heiße Sommer mit bis zu 40 Grad folgen extrem kalte Winter, vereinzelt mit bis zu minus 70 Grad. Bis zu neun Monate ist das Land von Schnee bedeckt. Freiwillig fanden sich deshalb nie genügend russische Siedler, um diese gigantische Fläche zu erschließen. Verbannte mussten her, verdammt, in Richtung Osten zu ziehen. Im Jahr 1649 wird die Deportation im Strafgesetzbuch des Russischen

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