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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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gestern für mich untersucht und bestätigt, dass es sich um einen Text aus Ars amatoria handelt, beziehungsweise handeln könnte, denn er ist kurz und könnte auch Teil anderer Werke sein. Allerdings hätten wir den Herrn Granz nicht bemühen müssen, wenn wir wie Frau Boll das Naheliegende gesehen hätten.«
    Alle zogen ihre Faltblätter vor und schauten das Naheliegende an. Bettinas Wangen brannten, am liebsten hätte sie gesagt, dass ihre Kenntnis auf reinem Zufall beruhte, doch Müller lächelte so triumphierend. Und Härting zog erleichtert seinen Schlips gerade.
    »Sie kommen nachher gleich mal zu mir, Frau Boll«, sagte Syra streng. »Ich habe spezielle Aufgaben für Sie.«
     
    Die Unterredung mit Syra war kurz. Die Soko-Leiterin stand am Kopfende des großen Konferenztischs, um sie herum erhoben sich die Kollegen, packten zusammen und diskutierten ihre Arbeitsaufträge. Syra richtete etwas an ihrer Tasche. Hauptkommissar Härting schob sich vor Bettina nach vorn und pflanzte sich neben Syra auf. Er überragte die kleine Frau um fast anderthalb Köpfe, dennoch bewirkte ihre hässliche, intensive Erscheinung, dass er bleicher und eckiger aussah denn je. Glücklicherweise war das Härting aber nicht bewusst, er war viel zu sehr darauf bedacht, Bettinas unerwartete Lorbeeren einzuheimsen. Mit einem Lächeln, das sie nicht an ihm kannte, betrachtete er sie, seine blassen, kalt aussehenden Wangen legten sich in dünne Fältchen. Fehlte nur noch, dass er Unser Bällchen! sagte.
    »Frau Boll«, sagte Syra stattdessen, ohne aufzusehen. »Was Sie gesehen haben, hätte jeder sehen können.«
    »Stimmt«, sagte Bettina respektvoll.
    »Sie werden mich begleiten.«
    »Wohin?«, fragte Bettina.
    »Durch diese Ermittlung. Sie bleiben an meiner Seite und schauen.«
    Härting strahlte.
    »Gern«, sagte Bettina. »Aber ich arbeite nur noch halbtags«, fügte sie hinzu, das hätte sie doch fast vergessen.
    Syras schwarze Augen richteten sich direkt auf Bettina. Die fühlte, wie der Boden sich aufzulösen begann. In diesen Augen war die Hölle und die ganze Welt dazu.
    »Sie sind doch Polizistin.«
    »Ich habe zwei Kinder«, hörte Bettina sich entgegnen.
    Nun wandte Syra sich an Härting. »Halbtagsermittler beim K11? Seit wann gibt es das denn, Leute?«
    »Frau Boll ist eine Ausnahme«, sagte Härting steif. Sein Lächeln war erloschen.
    Syra betrachtete Bettina. Die schwieg und hielt dem Blick stand. Zumindest versuchte sie es.
    »Dann kommen Sie eben jetzt gleich mit mir nach Ramsen und wir klären das später.« Syra beugte sich über ihr Laptop.
    Bettina warf Härting einen raschen Blick zu. »Jetzt gleich«, sagte sie todesmutig, »wird es nicht gehen.«
    Syra fuhr den Computer herunter, ohne aufzusehen. »Und weshalb nicht?«
    »Also, Frau Boll!«, sagte Härting mörderisch.
    »Ich muss in die Schule meines Sohnes, ein wichtiges Gespräch mit dem Rektor. Und ich habe das auch längst mit Herrn Härting geklärt. Er hat mir letzte Woche schon frei gegeben, nicht, Herr Hauptkommissar?«
    »Frau Boll«, wehrte Härting entsetzt ab, »also jetzt setzen Sie gefälligst Prioritäten.«
    Das tu ich doch, dachte Bettina.
    Syra schloss ihr Laptop mit einem Knall und reichte Bettina gleichzeitig eine Visitenkarte. Es ging so schnell wie ein Zaubertrick. »Also dann, Frau Boll«, beschied sie, »kommen Sie, wann immer Sie Zeit finden. Rufen Sie mich an. Ich werde in Rosenhaag sein.«
    Und damit gehörte Bettina so gut wie zum BKA.
     
    * * *
    Lisa träumte. Die Sonne hüllte sie ein, es roch nach Kokosöl und fischigem Tang. Der Sand war heiß, der Wind angenehm, man hätte ewig so liegen können. Sie bekam nur die Augen nicht auf. Es ging nicht. Da driftete sie davon.
     
     
    * * *
    Das Licht blendete, als Bettina das Auto verließ, ein Frühlingslicht, viel zu früh und viel zu hell trotz der Kälte, es hinderte die Sicht. Sie hieb die Tür ihres alten Taunus ins Schloss, blinzelte und suchte ihrem Blick einen Halt an der nächsten Wand, die war mit grellorange-farbenen Graffiti bedeckt, und ein paar grüne Spritzer schrien: Flick fette Vera. Dabei war das hier nur eine Grundschule, schmierten die Kleinen schon solches Zeug an die Wände? Sie öffnete das Tor und betrat den Schulhof. Beton in allen Stadien der Verwitterung war hier zu Treppen, Platten, Mauern, Würfeln und Pyramiden, kurz, einem bröckeligen Platz geformt, der planiert und mit ein paar anständigen Bäumen drauf richtig zum Spielen hätte sein können. Der Weg

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