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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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Schlimmeres. Das Problem ist, was Enno damit gemacht hat.«
    Nun wurde Bettina doch angst. »Was hat er denn gemacht?«, fragte sie flach.
    »Er hat etwas hineingesteckt.«
    Oh Gott, dachte Bettina, blitzartig von den fürchterlichsten Visionen gepackt.
    »Es ist noch drin«, sagte Schmoll süffisant. »Wir haben uns nicht getraut, das anzufassen.« Er schaute Bettina auffordernd an.
    Sie nahm den Dildo zur Hand.
    »Im Batteriefach«, sprach Schmoll.
    Bettina schraubte es auf. Darin befanden sich, fein säuberlich festgestopft, drei Patronen. Neun Millimeter Parabellum. Patronen, wie sie in Bettinas Dienstwaffe passten. Unversehrt, soweit sie sehen konnte, aber scharf. Außerdem war ein Kerzendocht um eine der Patronen gewunden. Er sah aus wie eine Zündschnur, auch deshalb, weil er an seinem freien Ende bereits angesteckt worden war. »Eine Bombe«, sagte Bettina unwillkürlich. Ihr Sohn Enno hatte versucht, eine Bombe zu bauen. In einem Dildo.
    Schmoll betrachtete sie mit verschränkten Armen. »Wir haben Sie als Erste hergebeten, weil die Mütter der anderen beiden Jungs Hausfrau und Bankangestellte sind. Wir dachten, die benutzen keine scharfe Munition.«
    »Oh Gott«, sagte Bettina.
    »Frau Boll«, sagte Direktor Schmoll. »Sie sind noch nicht lange die Mutter von Enno, das wissen wir. Sie hatten eine schwere Zeit, Sie geben sich Mühe, und vor allem lieben Sie Ihren Sohn.«
    Sie sahen sich an. Es war mehr eine Frage als eine Feststellung, also nickte Bettina klamm.
    Schmoll auch. »Gehen Sie heim, räumen Sie Ihre Wohnung auf und schließen Sie alles weg, was gefährlich und nicht jugendfrei ist.«
    »Okay.«
    »Ich werde das nicht Ihrer Dienststelle melden.« Er reichte ihr einen Zettel mit einer Adresse darauf. »Aber Sie gehen mit Enno dorthin. Machen Sie eine Familientherapie. Ich habe Ihnen einen Termin ausgemacht. Bei der Familienberatung der Caritas, drüben in Mannheim, Herr Hübner. Der ist gut. Sehr beliebt. Normalerweise muss man ein halbes Jahr warten, um bei ihm dranzukommen.«
    Bettina erhob sich. »Danke.«
    Schmoll seufzte. »Fassen Sie sich ein Herz. Lassen Sie sich helfen. Es wird Ihnen nicht schaden.«
    Auf dem Rückweg wäre Bettina am liebsten in Ennos Klassenzimmer gestürmt. Um ihn auszuhorchen über die Herkunft der Patronen, um zu erfahren, was ihm sonst noch für Ideen für den Dildo gekommen waren, um sich zu versichern, dass ihr Kind aufgeweckt, aber normal war. Sie blieb an der Tür stehen, drin war alles still, dann redete die Lehrerin. Geschlagen trottete Bettina zurück zu ihrem Taunus, der in gleißendem Licht stand. Sie setzte sich hinein und hieb mit beiden Fäusten gegen das Lenkrad. Dann nahm sie ihr Handy und rief Syra an.
    Die war am Telefon genauso knapp wie in der Besprechung. »Bleiben Sie zu Hause bei den Kindern, Frau Boll«, sagte sie trocken. »Heute ist es schon zu spät. Seien Sie morgen um neun Uhr in Ramsen.« Damit wurde die Verbindung unterbrochen, und Bettina fragte sich, ob sie sich noch im Zustand der Gnade befand, und wenn ja, was Syras Gnade eigentlich bedeutete. Wie würde ihre Zusammenarbeit aussehen? Musste sie von jetzt ab immer lateinische Übersetzungen parat haben? Sollte sie Gespräche führen, protokollieren, recherchieren oder wirklich nur zuhören und zusehen, wie Syra die Arbeit machte? Weil ihr nichts Besseres einfiel, fuhr sie Richtung Büro. Da waren noch Dossiers zu lesen. Dann dachte sie an Syras Laptop. So eins hatte sie schon immer gewollt. Und ihre neue Aufgabe beim BKA war der beste Vorwand aller Zeiten, Härting teure Ausrüstung aus den Rippen zu leiern.
     
    * * *
    Hätte Gregor geahnt, wie viele Kriminalisten nachträglich seine Aussagen studierten, seine Familiengeschichte analysierten und seine Fotos betrachteten, hätte er den Kommissaren Buch und Comtesse vielleicht mehr Respekt entgegengebracht, zumindest hätte er überlegter geantwortet. Doch Buch und Comtesse waren zwei nervige hessische Bullen, voller Misstrauen und Ressentiments, allein sein Doktortitel reizte sie. Und sensibel wie Brechstangen. »Lieben Sie denn Ihre Mutter, Herr Doktor?«, fragte zum Beispiel Buch, als sie in dem feuchten ausgebrannten Arbeitszimmer standen und Gregor das Ausmaß dieser Explosion überhaupt erst begriff. Ihm wurde schwindlig vom Rauchgestank und der Vorstellung, in eine Flamme zu geraten, die einen drei Meter breiten Rußfleck an der Decke hinterließ. Buch indessen stand breitbeinig daneben und forderte Liebeserklärungen von ihm. War

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